Berufsbild Spielanalyst im Fußball

Alexander Schmalhofer vom Institut für Fußballmanagement

Exemplarische Darstellung der dynamischen Vierer- und Dreierkette unter Pep Guardiola

So könnte eine Spielanalyse aussehen

Der Wechsel von Pep Guardiola zu Manchester City ist perfekt. Die Bundesliga verliert somit einen absoluten Fußballfachmann. Unter der Ära Guardiola konnte zwar die Champions League nicht gewonnen werden (bisher), allerdings hob der Spanier das Spiel des FC Bayern auf die nächste Stufe. Unter den Überbegriffen der Dominanz und Spielkontrolle begründet eine ausgefeilte Spielvision, die es im deutschen Fußball in dieser Art noch nicht gab. Vor allem im Spiel mit dem Ball zeigte der ehemalige Barca-Trainer ständig neue Ideen, um sich durch geschickte Positionswechsel in bestimmten Räumen in eine Überzahlsituation zu bringen und somit seinen Zielspielern, wie Costa, Coman, Robben oder Ribéry eine optimale Möglichkeit zu bieten, in eine 1 gegen 1-Situation zu gehen. Um dieses Ziel zu erreichen tauchen die Außenverteidiger auch gerne im Zentrum auf oder die 6er auf dem Flügel, um Gegenspieler zu binden und Anspielmöglichkeiten zu schaffen. Es wäre hochinteressant gewesen, wie er dieses System weiterentwickelt hätte, da verschiedene Spieleröffnungsvarianten mittlerweile automatisiert ablaufen. Mindestens genauso spannend wird es allerdings sein, zuzusehen, wie er das Spiel von Manchester City verändert. Im Fokus der täglichen Arbeit von Pep Guardiola und seinem Team steht somit die ständige Analyse des eigenen Teams, des Gegners sowie des internationalen Fußballs, um ständig nach neuer Inspiration zu suchen.

Spielanalyse ist mittlerweile aus dem (professionellen) Fußball nicht mehr wegzudenken. Ob im Amateur-, Junioren- oder Spitzenfußball, im Fernsehen, im Internet oder in Zeitungen, die Spielanalyse ist im Spielbetrieb sowie in der Berichterstattung ein wesentlicher Bestandteil vor und nach einer Partie.

Jeder Profiverein beschäftigt inzwischen eine oder mehrere Personen, die für den Bereich der Analyse zuständig sind. Diese werden meistens SpielanalystCo-Trainer Analyse, oder Videoanalyst genannt – je nachdem wie nah sie am Cheftrainer agieren. Die Aufgabenbereiche unterteilen sich zumeist in die Spielvorbereitung, also Gegneranalyse und Matchplanerstellung, die Live-Analyse, die Spielnachbereitung, die Trainingsanalyse und das Scouting. Obwohl Spielanalysten somit ein wesentlicher Bestandteil im Verein sind, und direkt in den Trainings- und Wettkampfbetrieb einwirken, existiert (noch) kein klares Berufsbild! Denn welche Kenntnisse und Kompetenzen sind notwendig, um eine solche Position zu besetzen und vor allem effektiv auszuführen?

Dazu möchte ich kurz auf die Entwicklung dieses Berufsbildes eingehen: Der heutige Spielanalyst nannte sich noch vor einigen Jahren Videoanalyst – ein deutlicher Unterschied, den ich später nochmal aufgreifen werde. Der Videoanalyst von damals war ausschließlich für die Aufnahme oder Beschaffung und Bereitstellung von Videomaterial und Spielszenen zuständig. Er lieferte diese nach Vorgabe ab und machte sich – provokant gesagt – keinerlei Gedanken mehr über die weitere Verwendung des Videos. Gleichzeitig erwartete auch kein Trainer von seinem Videoanalysten eine umfassende Analyse, denn diese machte er dann entweder selbst oder er gab diese Aufgabe an einen seiner vertrauten Co-Trainer weiter. Dieser Workflow ist heutzutage ein anderer: Selbstverständlich kommt der Beschaffung von Videomaterial und Spieldaten eine zentrale Rolle zu, allerdings ist dies die Grundlage der eigentlichen Arbeit des heutigen Analysten. Denn ER geht den nächsten Schritt, den noch vor einigen Jahren die Trainer vollzogen haben, selbst: In der Spielvorbereitung analysiert er anhand des Videomaterials und den vorhandenen Spieldaten den kommenden Gegner nach Mustern im Spiel mit dem Ball sowie im Spiel gegen den Ball, er setzt sich intensiv mit Lösungsmöglichkeiten auseinander, um das gegnerische Spielsystem zu knacken, er fertigt eine ansprechende Videoanalyse an, visualisiert die wesentlichen Erkenntnisse im Video und/oder einer schriftlichen Ausarbeitung, erläutert diese dem Trainer und/oder der Mannschaft und versucht zusammen mit dem Trainerteam die Erkenntnisse in den Trainingsbetrieb umzusetzen. Während und nach dem Spiel evaluiert er den entwickelten Matchplan und sucht nach Optimierungsmöglichkeiten, bestenfalls um dem nächsten Gegner schon wieder einen Schritt voraus zu sein. Auch dies geschieht wieder mit modernsten technischen Mitteln. Nicht selten ist der Analyst auch in die Entwicklung der individuellen Spielphilosophie eingebunden, um sein Wissen in die Vision des Vereins zu integrieren. Diese Arbeitsschritte setzen voraus, dass ein Analyst mehr kann, als mit dem Video umzugehen. Er besitzt detaillierte Kenntnisse über das Sportspiel Fußball – daher nennt er sich heutzutage zu Recht Spielanalyst.

Der Spielanalyst (oder auch Co-Trainer Analyse) ist mit seiner Expertise wesentlicher Bestandteil des Trainerteams geworden und muss daher auf gewisse Kernkompetenzen zurückgreifen können. Seine Fachkompetenz beinhaltet dabei unter anderem Wettkampfdiagnostik im Fußballtrainingswissenschaftliche Aspekte der SpielbeobachtungUmgang mit Datenbanksystemen und VideotechnikInterpretation von SpieldatenEinzelspieleranalyseScouting und vor allem tiefe Kenntnisse in der Fußballlehre, um technisch/taktische Verhaltensweisen zu entschlüsseln und stets neue kreative Lösungsmöglichkeiten für verschiedenen Spielsituationen zu entwickeln. Neben der Fachkompetenz sollte der Spielanalyst von heute eine entsprechende Vermittlungs- und Sprachkompetenz mitbringen. Ausschlaggebend ist aber auch, die oftmals abstrakten Ergebnisse auf dem Platz umzusetzen und auf dem Rasen teilweise selbst anzuleiten – Umsetzungskompetenz! Weil der Spielanalyst eben auch auf dem Platz agieren kann, vor allem aber weil er ein fachkundiger und vertrauter interner Berater des Cheftrainers ist, wird er gerne auch Co-Trainer Analyse genannt.

Trotz des enormen Anforderungsprofils an dieses Berufsbild, existierte im deutschsprachigen Raum bis Mitte letzten Jahres keine fundamentierte Fortbildungsmöglichkeit in diesem Segment. Aus diesem Grund startete das Institut für Fußballmanagement im Juli 2015 erstmalig mit einem innovativen Hochschulzertifikat „Spielanalyst Fußball“, welches auf Anhieb ausgebucht war und im Juli 2016 in die zweite Runde geht.

Mit einer fundierten Spielanalyse kann sowohl die individuelle und kollektive Leistung, als auch die Erfolgswahrscheinlichkeit des Teams gesteigert werden. Allerdings muss im Kontext des sehr komplexen Sportspiels Fußball immer bedacht werden, dass es vielerlei Faktoren gibt, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Die Spielanalyse stellt somit – wie andere Faktoren – nur eine kleine Stellschraube dar, die in einem Match den entscheidenden Unterschied machen kann. Fakt ist aber, dass vor allem im Profifußball meistens Kleinigkeiten spielentscheidend sind. Daher sollte die Spielanalyse bestens genutzt werden, um immer den entscheidenden Schritt voraus zu sein!

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