Mit Kaiserslautern holt er den DFB-Pokal und gewinnt sensationell die Deutsche Meisterschaft, bei Schalke gehört er zu den ‚Eurofightern‘, die 1997 den UEFA-Pokal in den Ruhrpott holen. Der Sohn eines US-Soldaten und einer deutschen Mutter absolviert insgesamt 81 Länderspiele für die USA, nimmt an zwei Weltmeisterschaften Teil und ist lange Zeit der Kapitän der US-Boys. Nach seiner aktiven Laufbahn trainiert er ein Jahr lang den 1.FC Saarbrücken, bevor er an der Seite von Jürgen Klinsmann wieder bei der amerikanischen Nationalmannschaft landet. Aktuell ist er Nationalcoach auf den Philippinen. Im Interview verrät uns der sympathische ‚Pfälzer‘, wie er dorthin kam, was andere Länder vom deutschen Fußball lernen können, was ein Team erfolgreich macht und warum Cristiano Ronaldo kein Bücherwurm ist.
Herr Dooley, wie sind Sie zu dem doch etwas außergewöhnlichen Job als Nationaltrainer auf den Philippinen gekommen?
„In den USA habe ich als Co-Trainer die U20-Nationalmannschaft mittrainiert und in einer Akademie mit der U16 und U18 gearbeitet. Nebenbei war ich als Privattrainer tätig. Dort habe ich unter anderem mit einem jungen Spieler aus den Philippinen gearbeitet. Sein Vater fand mein Training ganz gut und meinte, das wäre auch was für die philippinische Nationalmannschaft. Er hat dann versucht, Kontakt zum Verband aufzunehmen.

Seit 2014 ist Tom Dooley Nationaltrainer auf den Philippinen.
Ich habe nicht so richtig dran geglaubt und er hat dann auch zwei, drei Monate keine Antwort erhalten. Außerdem hatten sie zu der Zeit auch noch einen Nationaltrainer. Als der Trainer dann entlassen wurde, hat er mich gefragt, ob ich noch Interesse hätte. Ich sagte: ‚auf jeden Fall.‘ Dann hat er erneut den Verband kontaktiert. Anfangs waren sie allerdings etwas skeptisch, ob ich wirklich auf die Philippinen kommen würde. Aber nachdem ich dem Verband meinen Lebenslauf zugeschickt habe, sind sie drei, vier Tage später nach L.A. gekommen und ich habe ihnen meine Pläne vorgestellt. Somit war der Käse gegessen.“
Was hat Sie an dieser Aufgabe besonders gereizt? Die Philippinen sind ja nicht gerade das größte und erfolgreichste Fußball-Land.

Voller Einsatz an der Seitenlinie. Dooley bei einem Spiel seiner „Azkals“.
„Es ist nicht so einfach, in diesem Geschäft als Cheftrainer zu arbeiten. In den USA habe ich mit dem Jürgen (Klinsmann, Anm. d. Red.) zusammengearbeitet und war später zusammen mit Tab Ramos bei der U20, mit der wir uns für die WM qualifiziert haben. Mit der Akademie haben wir zwar auch sehr erfolgreich gearbeitet, aber es hat mich einfach gereizt, nicht ’nur‘ Co-Trainer zu sein. Ich wollte meine Idee von Fußball und meine Spielphilosophie irgendwo umsetzen. Und wenn sich dann so eine Möglichkeit ergibt, nimmt man sie gerne wahr. Ich habe mir dann Videos von der philippinischen Mannschaft angesehen und mich mit ihrer Spielweise auseinandergesetzt. Da habe ich gemerkt, dass man dort in relativ kurzer Zeit etwas bewegen könnte und so kam es dazu, dass ich mich entschieden habe: ‚OK, das mache ich.'“
Sie kennen ja mittlerweile die Fußballstrukturen von 3 Ländern sehr gut: Deutschland, USA und den Philippinen. Wo liegen die größten Unterschiede im Spiel, der Ausbildung und den Rahmenbedingungen?
„Da gibt es natürlich Riesenunterschiede. Deutschland ist einfach das Aushängeschild im Weltfußball.
Das war auch schon vor dem Gewinn der WM so. Die zwei stärksten Mannschaften sind immer noch Deutschland und Brasilien. Brasilien hat die besten Einzelspieler und Deutschland hat das beste Team. Das hat man im Halbfinale ja gesehen, wenn bei Brasilien ein, zwei von den besten Spielern ausfallen, ist die Mannschaft nicht mehr so stark. Bei Deutschland war es meistens so: Wenn ein wichtiger Spieler ausgefallen ist, hat der ‚Ersatzmann‘ ihn fast eins zu eins ersetzt. Vielleicht nicht spielerisch, aber das taktische Verhalten wurde zu 100% umgesetzt. Die Mannschaft ist immer als Team aufgetreten und das macht sie zu den Besten.
In Deutschland dreht sich alles nur um Fußball. Wenn man hier aufwächst, ist der Fußball allgegenwärtig. Egal ob zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz, mit Freunden oder draußen auf der Straße: man unterhält sich über Fußball. Auch die Medien spielen eine Rolle. Im Fernsehen wird täglich Fußball gezeigt oder zumindest drüber geredet. Diese allgegenwärtigen Informationen führen zu einer enormen Kenntnis über Fußball und davon profitiert natürlich auch ein junger Spieler. Hinzu kommen Trainingsqualität und -quantität. Ein Spieler, der dann noch den richtigen Weg geht, bei guten Vereinen unterkommt und die richtigen Trainer erwischt, hat einfach einen Riesenvorteil.
Ganz anders ist es in den USA. Als ich dorthin gekommen bin, gab es einen riesigen Unterbau mit 20 Millionen Kindern, die Fußball gespielt haben; allerdings ohne richtige Struktur ausserhalb des Schulsports. Es gab weder eine richtige Liga noch ein Aushängeschild nach oben, dass sich ein junger Spieler als Ziel setzen konnte. Die Nationalmannschaft hat zwar 1990 bei der WM mitgespielt, aber im Grunde genommen war sie noch nicht so weit. Der Unterbau war zwar da, aber die Qualität für eine Liga und für die Nationalmannschaft war einfach nicht vorhanden. Das musste alles erst aufgebaut werden. Als ich 1992 zur Nationalmannschaft gekommen bin, habe ich gesagt, dass wir hier ein Generationsproblem haben. Kinder spielen Fußball, wenn die Generation vorher, also wir, auch Fußball gespielt hat. Und nur so kann sich das Interesse weiterentwickeln und der Sport immer größer werden. Die ältere Generation, die nur mit Baseball, Basketball und Football groß geworden ist, stirbt sozusagen aus und die ‚Fußballgeneration‘ wächst an. Das dauert natürlich 20, 30 Jahre, aber man kann es jetzt schon ein bisschen erkennen. Die Liga wird immer stärker, die Nationalmannschaft wird immer stärker, die Spieler werden besser, das Interesse der Fans wird immer größer und es fließen immer mehr finanzielle Mittel und Sponsorengelder in den Fußball. Davon profitiert auch die Liga. Und ich bin davon überzeugt, dass bald der Punkt kommt, an dem die Liga ähnlich stark sein wird, wie die europäischen Ligen.
Auf den Philippinen sieht es noch mal ganz anders aus. Dort gibt beziehungsweise gab es weder einen Unterbau noch einen besonders großen ‚Oberbau‘. Seit 2009 ist Dan Palami an Bord. Er ist so etwas, wie der große Macher. Er ist Team-Manager und hat auch den Spitznamen Azkals (Straßenhunde, Anm. d. Red.) erfunden beziehungsweise mit eingeführt. Er hat die Mannschaft auch mit finanziellen Mitteln unterstützt, hat alle Reisen bezahlt und internationale Trainer und Spieler einfliegen lassen. Er hat das alles fast selbst finanziert. Dadurch ist die Mannschaft natürlich viel stärker geworden. So ein Sponsor bringt Aufmerksamkeit und mittlerweile kennt fast jeder die Azkals. Basketball und Boxen sind aber weiterhin die beliebtesten Sportarten. Manny Pacquiao ist hier die absolute Nr.1. Dann kommt Basketball. Einerseits ist das logisch, weil das Land eine amerikanische Kolonie war, aber irgendwo ist es mir doch ein Rätsel, denn eigentlich bietet der Fußball viel mehr Möglichkeiten. In diesem Fall ist das kein Generationsproblem, sondern ein Kulturproblem. Aber ich gehe davon aus, dass sich das ändern wird. Wir haben hier Verhältnisse wie in Argentinien oder Brasilien. 80% der Menschen leben in Armut und die Kinder sind entweder auf der Straße oder sie spielen Basketball. Wenn wir mit der Nationalmannschaft erfolgreich sind und falls 2017/18, wie geplant, eine offizielle FIFA-Liga eingeführt wird und die Kinder, die jetzt alle Basketball spielen, merken, dass sie durch den Fußball aus der Provinz herauskommen können oder zumindest ein besseres Leben führen können, kann sich hier richtig was entwickeln. Das wollen wir unterstützen; mit Camps, mit Präsenz und mit Hilfe von Organisationen, wie PruLife oder Puma. Wir versuchen den Kindern in der Provinz zu zeigen, dass Fußball die Zukunft ist. Basketball kann vielleicht der ein oder andere in der philippinischen Liga spielen, aber Fußball können sie auf der ganzen Welt spielen. Die Möglichkeit, im Fußball Geld zu verdienen hat nichts mit der Größe zu tun, sondern nur mit Qualität und Skills. Und das ist etwas, was man lernen kann. Ein Basketballer kann nicht lernen, groß zu werden (lacht). Aber es gibt hier wie gesagt noch sehr sehr viel zu tun, sowohl im Unter- als auch im Oberbau. Das kann zehn, 20 Jahre dauern. Aber wir sind mit unseren beiden Siegen bei der WM-Qualifikation ja auf dem besten Weg.“
Die US Nationalmannschaft hat zurzeit mit Jürgen Klinsmann, Andreas Herzog und Matthias Hamann drei Deutsche bzw. Österreicher in wichtigen Positionen. Ihre Nominierung war ja damals auch so etwas wie der Startschuss zum Scouten von Deutsch-Amerikanern. Gilt der deutsche oder europäische Fußball als Vorbild für die USA. Was kann der US-Fußball vom Deutschen lernen?

Der Ex-Bundesligaprofi im Dress der US-Nationalmannschaft.
„Ich glaube, dass alle Länder etwas von Deutschland lernen können. Dazu gehören natürlich auch die USA und die Philippinen. Los ging es, als ich als Spieler aus Deutschland zur amerikanischen Nationalmannschaft gekommen bin. Gleichzeitig kam Earnie Stewart aus Holland dazu und Roy Wegerle aus England. Somit hatten wir vier, fünf neue Spieler dabei, die Eltern aus Amerika hatten und international auf hohem Niveau gespielt haben. Dadurch kam Qualität in die ‚Collegemannschaft‚.
Als später dann der Jürgen die Mannschaft übernommen hat, wurde dieser Trend fortgesetzt. Ich habe immer gesagt, dass wir nur eine Chance haben, mal ein WM-Endspiel zu erreichen, wenn wir Spieler bei Bayern München, Inter Mailand, Real Madrid oder anderen Top-Vereinen haben. Wenn man langfristig oben mitspielen will, braucht man eben Spieler aus solchen Vereinen, sonst wird es schwer.
Wenn die Nationalelf nur aus MLS-Spielern besteht, ist das zwar eine gute Mannschaft, aber es fehlen eben die entscheidenden Prozente. Die kriegt man nur von Spielern aus internationalen Ligen. In der Bundesliga gibt es ja einige Amerikaner und in Deutschland zu spielen, beziehungsweise in so einem Land aufzuwachsen, bringt einfach eine gewisse Kenntnis über Fußball mit sich. Man weiß mehr, man ist handlungsschneller; im Fußball kommt es ja immer darauf an, schnelle Entscheidungen zu treffen. Die Zeit, die man braucht, um Situationen richtig einzuschätzen, Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln ist meiner Meinung das, was einen Top-Spieler von einem Durchschnittsspieler unterscheidet. Je länger dieser Zeitraum ist, desto schwächer ist der Spieler. Das sieht man ja bei Spielen auf Top-Niveau, da geht alles unheimlich schnell. Je schwächer die Klasse ist, umso länger brauchen die Spieler, um den Ball zu verarbeiten und Situationen zu erkennen. Diese Qualität lernt man eben nur in Ligen wie der Bundesliga, der Primera División, der Serie A oder der Premier League. Je mehr solcher Spieler man in seiner Mannschaft hat, umso stärker wird sie. Natürlich lässt sich das auch wieder auf die drei Länder beziehen: Auf den Philippinen brauchen die Spieler länger als in den USA und in den USA brauchen die Spieler länger als in Europa. Das ist der Riesenunterschied.“
Ihnen liegt ja auch die Arbeit mit dem Nachwuchs am Herzen und Sie haben Ihre ‚Soccer University‘ gegründet. Was sind die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Jugendarbeit und was macht einen guten Jugendtrainer aus?
„Das ist eine ganz andere Arbeitsweise. Primär geht es darum, den Kids die Grundlagen zu vermitteln. Im technischen Bereich passiert viel über Wiederholungszahlen. Wichtig ist auch, dass das Training altersgerecht ist. Es bringt nichts, mit einem Neunjährigen Übungen für einen Vierzehnjährigen durchzuführen. So lernt der Spieler nichts. Ein Trainer muss einfach wissen, was die Kids in den unterschiedlichen Altersklassen kennen und können sollen. Wir haben den Fußball nicht erfunden, aber ich habe zusammen mit Christian Tietz eine Art Lehrplan für Jugendfußball verfasst. An diesem Lehrplan sollten sich Jugendtrainer orientieren und versuchen ihn zumindest zu 70-80% umzusetzen. Natürlich muss man immer auf die individuelle Entwicklung der einzelnen Spieler achten. Wenn jemand mit einer bestimmten Technik Probleme hat, muss er die Übungen dazu halt öfter und länger durchführen. Außerdem muss man Kinder ganz anders behandeln als Erwachsene. In meiner Academy in den USA hatte ich einmal einen neuen Trainer, der die U8-Mannschaft übernehmen sollte. Ein herzensguter Mensch und ein hervorragender Trainer. Aber er hat eine solch raue und tiefe Stimme, dass die Kids Angst vor ihm hatten. Den muss ich dann die etwas älteren trainieren lassen. Das sind alles so Kleinigkeiten, die man beachten muss. Es gibt hervorragende Trainer im U10-Bereich, die aber keine Sechzehnjährigen trainieren können; genauso andersherum. Es gibt super Jugendtrainer, die auch taktisch einiges drauf haben – was ja mit steigendem Alter immer wichtiger wird – aber ein Kindertraining würde sie frustrieren. Das muss man einfach im Gefühl haben und die richtigen Typen für die verschiedenen Altersklassen finden.“
Was macht die besten Spieler in einer Mannschaft aus? Haben sie einfach mehr Talent, tun sie mehr als die andern oder ist das Motivations- und Einstellungssache? Wie schafft man den Sprung vom ‚Durchschnittsspieler‘ zum Top-Spieler?
„Als ich hierher kam und mir ein erstes Bild von der Mannschaft gemacht habe, ist mir aufgefallen, dass es viele gute Fußballer gibt, denen es aber an taktischer Qualität fehlt. Das musste man ihnen erst beibringen. Als Nationaltrainer hat man natürlich nicht so viele Möglichkeiten. Man sieht die Spieler immer nur 5 Tage vor einem Spiel oder Wettkampf, da bleibt nicht viel Zeit für die Ausbildung. Das ist eher Sache des Vereins. Trotzdem will man natürlich erfolgreich sein. Ich habe der Mannschaft gesagt, dass wir 23 einzigartige Spieler haben und das jeder auf seiner Position seine Qualitäten hat. Bestimmte Positionen müssen von Charakteren besetzt sein und als Trainer muss man eben erkennen, welcher Spieler für welche Position die besten Fähigkeiten mitbringt. Das hat einerseits mit Talent zu tun, aber natürlich auch mit der Ausbildung. Wir haben zum Beispiel einen Spieler bei uns, der wahnsinnig schnell ist. Der kommt aus dem Futsal, wo er auch im Nationalteam gespielt hat. Er bringt einfach zwei außergewöhnliche Fähigkeiten mit: Er ist unheimlich schnell und er ist brandgefährlich im Strafraum, weil er die schnellen Bewegungen, die Tricks und das Ballgefühl beim Futsal gelernt hat. Das ist reine Trainingssache. Schnelligkeit kann man hingegen nur bis zu einem gewissen Maß trainieren. Aber technische und taktische Fähigkeiten kann man durch Training immer verbessern. Es ist wie mit allem im Leben: Das Wichtigste ist die Wiederholung; je öfter ich etwas mache, desto mehr brennt es sich in mein Gehirn ein. Dadurch kann man es schneller abrufen.
Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei das Visualisieren. Das war und ist für mich einer der wichtigsten Punkte; sowohl während meiner aktiven Zeit als auch jetzt als Trainer. Das ist ein ganz entscheidender Punkt in der Entwicklung eines Fußballers. Man kann ja nur ein, manchmal zwei Mal am Tag trainieren. Ein Kind kann vielleicht acht Stunden am Tag kicken aber bei einem Erwachsenen mit professionellem Training geht das natürlich nicht. Und da kommt die Visualisierung ins Spiel. Man kann sich Trainingseinheiten beziehungsweise Spielsituationen visuell vorstellen. Das hilft dabei, schnelle Entscheidungen zu treffen, wenn es drauf ankommt. Als ich in Lautern unter Karl-Heinz Feldkamp gespielt habe, gab es einen Spieler im Team, der unheimlich schnell war. Da er auf meiner Position gespielt hat, habe auch ich versucht, schneller zu werden (lacht). Kalli hat mich dann bei meinen Sprinteinheiten ‚erwischt‘ und gefragt, warum ich das mache. Ich habe ihm dann erklärt, dass ich versuchen will, auf den ersten paar Metern ein bisschen schneller zu werden, sodass ich schnelligkeitstechnisch mit meinem Konkurrenten mithalten kann. Er meinte dann nur: ‚Obwohl er sehr viel schneller ist als du, kommt er immer zu spät, du nicht! Denk mal drüber nach, warum das so ist.‘ Ich bin dann auch relativ schnell dahinter gestiegen (lacht). Es ging um die Antizipation. Ich konnte sehr schnell schalten und das Spiel sehr gut lesen.
An der Körperhaltung konnte ich schnell erkennen, was der Spieler am Ball vorhat. Dadurch konnte ich immer schon vorher reagieren und das hat mich ’schnell‘ gemacht, obwohl ich nicht der beste Sprinter war. Also hat Schnelligkeit auch immer was mit Entscheidungen, Handlungsschnelligkeit, Reaktionsgeschwindigkeit und Antizipation zu tun. Und so etwas kann man sich visuell vorstellen; zu Hause, im Bus, im Bett oder sonst wo. Wenn ich Stürmer bin und bei Flanken immer den einen Schritt zu spät komme, kann ich mir diese Situation immer wieder vorstellen. Da lasse ich einen Film in meinem Gehirn ablaufen, in dem es darum geht, wann die Flanke kommt, wie der Ball fliegt und wie ich den Ball versenke. Das kommt im Spiel bestimmt zwei, drei Mal vor. Auch durch das Vorstellen kann man solche Automatismen fördern. Und das kann man als Spieler lernen.

Erfolg durch Visualisieren. Tom Dooley setzt auf die Vorstellungskraft.
Der andere wichtige Punkt ist, wie bereits erwähnt, die Wiederholungszahl. Das gilt für alles: Wenn ich einmal pro Woche Klavier übe, kann ich an Weihnachten ein schönes Lied spielen. Aber vor 10.000 Leuten kann ich nur spielen, wenn ich jeden Tag stundenlang Klavier spiele. Bei Versuch Nummer 1000 bewegt sich der kleine Finger endlich mal auf die gewünschte Taste. Frage mal einen Pianisten, ob er noch aktiv daran denken muss, diesen kleinen Finger auf diese Taste zu setzten. Und diese Automatismen kann man im Fußball auch erreichen; bei der Ballbehandlung, beim Dribbling, beim Schuss, beim Kopfball oder sonst wo.
Ich sage das meinen Jungs auch immer: ‚Meint ihr wirklich, dass die paar Trainingseinheiten, in der Nationalmannschaft und im Verein reichen, um ganz oben mitzuspielen?‘ Ein Beispiel: Als James Rodríguez zu Real Madrid gewechselt ist, wollte er vor seinem ersten Training zwei Stunden früher kommen, einfach um seine Motivation und sein Engagement zu unterstreichen. Und als er zwei Stunden vorher auf dem Trainingsgelände ankam, ist ihm Cristiano Ronaldo entgegengekommen, der gerade mit einer selbst organisierten Trainingseinheit fertig war. Die Qualität, die ein Spieler wie Ronaldo hat, kommt ja nicht durch das Lesen von Büchern oder von einem Training pro Woche. Das erreicht man nur durch tägliche Arbeit. Je öfter ein Spieler sich die Zeit nimmt, auf den Platz geht, mit dem Ball arbeitet oder bestimmte Spielsituationen durchgeht, umso besser wird der Spieler. Nur so kann man richtig gut werden.“
Was bedeutet für Sie ein Team?
„Als ich das Traineramt auf den Philippinen übernommen habe, sagte ich zu meiner Mannschaft: ‚Es geht nur ums Team! Wir müssen eine positive Umgebung schaffen, wo jeder für jeden da ist, aushilft und seine Aufgabe ganz klar kennt und umsetzt. Wenn wir es schaffen, ein richtiges Team zu bilden, können wir sehr erfolgreich werden.‘ Ich habe das ja selber erlebt. Damals waren wir mit Kaiserslautern Tabellenletzter und innerhalb von eineinhalb Jahren sind wir dann Pokalsieger (1990, Anm. d. Red.) und Deutscher Meister (1991) geworden. Als ich nach Schalke gekommen bin, wurde ich nach meinen Zielen mit der Mannschaft gefragt. Ich habe geantwortet: ‚Wenn wir eine Mannschaft formen können, in der jeder für jeden da ist, dann können wir auch Fünfter werden.‘ Da gab es keine Superstars, sondern nur eine Mannschaft, die sich auf dem Platz den Hintern aufgerissen hat. Jeder muss den Fehler des anderen ausbügeln, weil er genau weiß, dass es anders herum auch so läuft. Jeder hat eine taktische Aufgabe und die muss er zu 100% umsetzen. Der Verein hatte damals Platz neun als Ziel ausgegeben, aber ich wusste, dass wir es als Team weiter nach oben schaffen können. Schließlich sind wir Dritter geworden und haben ein Jahr später den UEFA-Pokal geholt. Später habe ich in den USA eine U18-Mannschaft übernommen, die im Vorjahr letzter Platz war. Im nächsten Jahr sind wir Meister geworden, obwohl 13 unserer gewonnen Spiele gegen uns gewertet wurden, da wir einen Spieler dabei hatten, der eigentlich nicht hätte spielen dürfen. Somit sind wir vom ersten auf den letzten Platz gerutscht und haben am Ende trotzdem die Meisterschaft geholt. Von 48 Spielen haben wir nur drei verloren. So etwas geht nur, wenn man ein funktionierendes Team gebildet hat, wo sich keiner in den Vordergrund drängt und in dem sich jeder für den anderen den Hintern aufreißt seine klare Aufgabe auf dem Platz kennt. Das habe ich meinen Spielern hier auf den Philippinen auch gesagt. Wir müssen ein Team formen, in dem jeder 100% gibt. Wenn jeder das auf dem Platz umsetzt, was er kann und sich auch ohne Ball voll reinhängt und seine Qualitäten einsetzt, kann man als Mannschaft Berge versetzen. Nur so haben wir es auch 1994 mit den USA ins Achtelfinale der WM geschafft. Das geht nur, wenn jeder für jeden da ist. Wenn sich da einer in den Vordergrund stellt und meint, er sei besser als die anderen, kann das Gift für die Mannschaft sein. So ein Spieler kann ganz schnell sehr viel kaputt machen. Das beste Beispiel ist Darmstadt. Die haben jetzt keinen überragenden Spieler dabei, aber sie sind als Team aufgetreten und haben es so bis in die Bundesliga geschafft. Auch der KSC hat gezeigt, was man mit mannschaftlicher Geschlossenheit erreichen kann und hätte es fast geschafft. Wenn man so etwas formen kann und wenn man so etwas in eine Mannschaft hineinbekommt, kann man riesige Erfolge feiern.“