Die Vor- und Nachteile der 18 wichtigsten Grundordnungen

Fußball entwickelt sich immer mehr zu einer Wissenschaft. Das gilt auch für die verschiedenen Grundordnungen und Spielsysteme. Diese werden heute schnell und einfach variiert, um auf die entsprechenden Umstände auf dem Rasen reagieren zu können. So entsteht schnell eine Vielzahl an Auf­stellungsvarianten. 1x1SPORT bietet einen Überblick über die aktuell gängigsten Formationen und schaut zurück auf die Entwicklung in den vergangenen 100 Jahren.

Aufteilung im Mittelfeld

Lange Zeit wurden Formationen mit Drei-Ziffern-Folgen beschrieben – etwa 4‑4‑2 oder 3‑5‑2. Die erste Zahl gibt dabei die Anzahl der Abwehrspieler an, die zweite beziffert die Mittelfeld­spieler und die dritte umschreibt die Zahl der Stürmer auf dem Feld. Mittlerweile sind auch Begriffe wie 4‑2‑3‑1 oder 4‑1‑4‑1 geläufig, hier wird zusätzlich zwischen defensiven und offensiven Mittelfeldspielern unterschieden. Der Torhüter wird seit jeher vernachlässigt, so dass die Addition der Ziffern immer zehn ergeben muss.

Aufgrund der Variabilität der Formationen lässt sich die Grundordnung einer Startelf definitionsgemäß nur beim Anstoß feststellen. Denn die Spieler rotieren während der Partie häufig, folglich steht die Elf in den 90 Minuten kaum wieder in der eigentlichen Grundordnung auf dem Rasen: Man spricht dann nicht mehr von einer Grundordnung sondern von einem Spiel­system. Zu be­achten ist außerdem, dass eine Grundordnung rein gar nichts über ein Spielsystem aussagt. Denn eine vermeintlich defensive 5‑3‑2 Aufstellung beim Anstoß lässt sich schnell in ein offensiveres 3‑5‑2 umwandeln. Oder die Außenstürmer ziehen sich bei einer scheinbar ­offensiven Grundordnung wie einem 4‑3‑3 so weit zurück, dass das Spielsystem letztlich eher einem 4‑5‑1 entspricht. Im Folgenden Text werden wir vereinfachend den Begriff der „Formation“ verwenden. Natürlich kann und soll dieser Taktikcheck nicht vollständig sein. Wir haben versucht Vor- und Nachteile herauszuarbeiten. Natürlich gibt es aber noch weitere Varianten und Auf­gaben der Spieler in den jeweiligen Systemen. Wie sich die jeweilige Grundordnung und das Spielsystem auf Deine Mannschaft projizieren lässt, musst Du selbst überprüfen. Und dann spielt der Gegner ja auch noch mit… Wir freuen uns auf jeden Fall über Dein Feedback!

Im Fokus: Drei oder vier Abwehrspieler

All das muss der Trainer bedenken, bevor er sich für eine Marschroute entscheidet, um seine Elf zum Erfolg zu führen. Wir teilen die verschiedenen Grundformationen aus den genannten ­Gründen und zur besseren Übersichtlichkeit in zwei große Gruppen ein: Aufstellungen mit Viererabwehrketten sowie Aufstellungen mit Dreierabwehrketten, die sich durch den Rückzug ­zweier Flügelspieler zu Fünferabwehrketten umwandeln lassen. Warum wir den Fokus auf die Abwehrreihen legen? Weil dort grundsätzlich – abgesehen von der angesprochenen Hinzu­nahme zweier Flügelspieler – weniger rochiert wird als in der Offensive.

Legende

TW

Torwart

RV

Rechter Verteidiger

IV

Innenverteidiger

LV

Linker Verteidiger

ZDM

Zentrales, defensives Mittelfeld

ZOM

Zentrales, offensives Mittelfeld

ZM

Zentrales Mittelfeld

RM

Rechtes Mittelfeld

LM

Linkes Mittelfeld

OM

Offensives Mittelfeld

DM

Defensives Mittelfeld

RF

Linker Flügel

LF

Linker Flügel

RS

Rechter Stürmer

LS

Linker Stürmer

ST

Stürmer

HS

Halber Stürmer

Wenn du noch mehr Wissenswertes über Taktik nicht nur lesen sondern auch im Video anschauen willst, schau mal in folgende Filme rein:

Auf diese Formationen schwören unsere 1x1Sport Experten

Fussballtrainer Manuel Baum

Manuel Baum

DFB-Fussballlehrer

„Ich habe ei­gent­lich keine Lieblings­formation. Wir starten aus einer Grund­ordnung, die man ja nur beim Anstoß sieht. Sobald der erste Spieler nach vorne läuft, ist die Grundordnung hinfällig. Jeder Spieler legt eine andere Verhaltensweise an den Tag. Überdribbelt ein Innenverteidiger den gegnerischen Stürmer, habe ich beispielsweise schon keine Viererkette mehr, sondern nur noch drei hinten stehende Spieler.“

Andreas Haidl

FUSSBALLTRAINER

„Defensiv ist das 4‑4‑2 mit flacher Vier im Mittel­feld ideal. So kann mein Team optimal gegen den Ball arbeiten. Durch die Raumaufteilung hat das Team überall Zugriff und kann immer wieder Überzahl schaffen – das erleichtert Ballgewinne. Ich habe auch die Möglichkeit, einen der beiden Sechser zwischen die Innenverteidiger fallen zu lassen. So entsteht eine Dreierkette und ich habe ein 3‑5‑2. Schiebe ich stattdessen einen Sechser vor, kann ich im 4‑3‑3 spielen lassen. Die Anordnung ist von den Positionen her so, dass ich sehr variabel bin.“

Ernst Holzmann

FUSSBALLTRAINER

„Mit dem 3‑5‑2 bin ich sowohl in der Defensive als auch in der Offensive wesentlich flexibler. Außerdem kann ich so das Offensiv-Pressing und das schnelle Umschalt­spiel forcieren. Im Mittelfeld verfüge ich über einen ­weiteren Spieler, der das Offensivspiel schon sehr früh ankurbeln kann. Durch die Fünferkette wird das Spiel über die Außen erleichtert. In der Abwehr kann ich die Dreier- in eine Fünferkette um­wandeln, indem die äußeren Mittelfeldspieler auf die Außenverteidiger-Positionen zurück­rücken.“ 

Thorsten Zaunmüller

FUSSBALLTRAINER

„Wer sich eine gewisse Flexibilität erhalten möchte, sollte auf die Grundform 4‑2‑3‑1 setzen. So vermittele ich meine ­Spielidee, würde aber auch Veränderungen in der Grundform eingehen. Aus dem 4-2-3-1 kann man verhältnismäßig einfach in ein 4‑4‑2 oder ein 4‑1‑4‑1 umschalten. Genauso ist es auch nicht schwer, in eine Spielform mit Dreier- oder Fünferkette in der Abwehr überzugehen. Einfach einen Stürmer auflösen und einen zusätzlichen Verteidiger bringen. In der Offensive ergibt sich so ein 3‑4‑3, in der Defensive ein 5‑2‑3 – je nach dem Verhalten der Außenverteidiger.“

Stefan Kohfahl

Sportlicher Leiter Real Madrid Foundation Clinics

„Im Amateur­bereich halte ich das 4‑2‑3‑1 für ideal. Es wird aber sehr flexibel eingesetzt. Wenn man das Spiel mitten im Angriff anhalten würde, wäre es schon ein 2‑5‑3.“

Blick in die Historie

Rugby-Regel sorgt für Gedränge in der Sturmreihe

Zum Abschluss blicken wir noch einmal zurück in die Anfangszeit des Fußballs und die Ent­wicklung der vorherrschenden Formationen. Zu Beginn setzten die Teams auf verstärkte ­Offensive – und das ist noch deutlich untertrieben. Sechs bis neun Angreifer waren absolut keine Ausnahme sondern eher die Regel im 1‑0‑9, 1‑2‑7 oder 2‑2‑6. Diese offensiven Aus­richtungen waren jedoch vor allem einer aus dem Rugby entnommenen Regel geschuldet: Zunächst waren Pässe nach vorne beim Fußball verboten, Spieler durften nur Teamkollegen neben oder hinter sich bedienen.

Lauffreudige Mitspieler gesucht

Etwa um 1880 setzte sich mit der so genannten Schottischen Furche ein System durch, in dem dem Kollektiv deutlich mehr Bedeutung beigemessen wurde. Der gewöhnungsbedürftige Name rührt daher, dass das 2‑3‑5 von oben betrachtet wie ein Dreieck aussieht. Wie zuvor waren die Verteidiger einzig für die Defensivarbeit zuständig. Viel Laufarbeit wartete auf die Mittelfeldspieler: Sie unterstützten die Abwehrspieler und sollten zugleich den Spielaufbau vorantreiben.

Genial: Spieler formieren sich zur einzig wahren WM-Formation

Eine Änderung der Abseitsregel führte dann zur nächsten Formation, die mehrere Jahr­zehnte überdauerte. Ab 1925 mussten sich im ­Moment der Ballabgabe nur noch zwei ­Akteure statt drei Spielern zwischen dem Pass­adressaten und dem Tor befinden. So entwickelte Herbert Chapman beim FC ­Arsenal sein so genanntes WM-System. ­Dieses dem 3‑4‑3 ähnliche 3‑2‑2‑3 verdient sich seinen Namen dadurch, dass die fünf Offensivspieler von oben gesehen in Form eines W positioniert sind, die fünf Defensivakteure hingegen wie ein M.

Das Ziel dieser Formation waren vor allem Konter­angriffe, die Positionen wurden von den Spielern starr eingehalten. So agierten in der Offensive ausschließlich ein vorgeschobener Mittelstürmer und zwei vorgezogene Flügel­stürmer auf einer Höhe sowie zwei zurück­hängende Halbstürmer. In der Abwehr gab der zurückhängende Mittelläufer eine Art Libero, auf seiner Höhe waren zudem zwei defensiv ­agierende Verteidiger positioniert, etwas ­offensiver agierten zwei Außenläufer. Für den Spielaufbau waren allein die Halbstürmer und die Außenläufer zuständig – das Quartett ist mit den ­heutigen Mittelfeldspielern gleich­zusetzen. Übrigens: Der deutschen Nationalmannschaft verhalf das WM-System 1954 zum ersten Weltmeistertitel – passend zum Namen.

Catenaccio startete mit schnellen Angriffen und diagonalen Bällen

Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstand dann das System, das heutzutage als wohl ­destruktivste Spielweise verschrien ist: Catenaccio oder damals auch Schweizer Riegel ­genannt. Dabei scheint die 4‑3‑3-Formation durchaus offensives Potenzial zu versprechen. Bei dieser Taktikvariante agierte ein Libero hinter den drei anderen Abwehrspielern, zudem wurden Mittelfeldakteure und Angreifer zurückgezogen, das Spiel war komplett auf Konter ausgelegt. Als oberste Maxime galt es, Gegentore zu verhindern. So wurde der Gegner zu mehr Offensive verleitet. Helenio Herrera perfektionierte den Catenaccio als damaliger Trainer von Inter Mailand in den 60ern. Dabei ließ er den linken Verteidiger und den rechten Mittelfeldspieler jeweils offensiver agieren und kam mit schnellen Angriffen und diagonalen Bällen zum Erfolg. Ganz so defensiv wie das heute mit Catenaccio gleichgestellte Abwehrbollwerk gestaltete sich seine Taktik also nicht.

Der Libero spielte auch beim 4‑2‑4 eine wichtige Rolle. Dieses System, das sich durch den freien letzten Spieler vom 3‑2‑5 unterscheidet, eroberte nach Brasiliens WM-Triumph 1958 die Fußballplätze. Es gilt zugleich als Vorgänger aller später üblichen Systeme. Zieht der Trainer die Außenstürmer ins Mittelfeld zurück, entsteht so ein 4‑4‑2, wird dann zusätzlich der zentrale Verteidiger oder der Libero vorgezogen, haben wir ein 3‑5‑2.

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