Schnelles, aber intensives Ausdauertraining? HIIT it!

Kann König Fußball von den Leichtathleten noch etwas lernen?

Schneller, länger, erfolgreicher. Ausdauer & Schnelligkeit werden zunehmend zu entscheidenden Faktoren im modernen Fußball. Waldläufe und isolierte Sprints sind allerdings Schnee von gestern. Erfahre wie Du mit dem effektiven High Intensity Interval Training (HIIT) das Maximum aus Dir oder Deinen Spielern herausholen kannst.

„Der Fußball wird immer schneller“, hat sich mittlerweile zu einer weit verbreiteten Phrase an deutschen Fußball Stammtischen aufgeschwungen. Doch hinter jeder Phrase steckt auch immer ein bisschen Wahrheit – und hinter dieser gar mehr als nur ein bisschen? Professor Meyen von der LMU München hat bewiesen, dass sich die Ballkontaktzeiten im Spiel deutlich verringert haben: von beispielsweise durchschnittlich 2,6 Sekunden im unvergessenen WM-Finale 1966 bis auf 1,06 Sekunden im WM-Halbfinale 2010 zwischen Spanien und Deutschland. Schnellerer Fußball erfordert konsequenterweise Trainingsmethoden, die den veränderten Bedingungen auf dem Platz angepasst werden. Als eine dieser Methoden wollen wir das sogenannte High Intensity Intervall Training vorstellen, kurz: HIIT.

Eine Methode mit Tradition

Im Gegensatz zu Mirko Slomkas Training mit Augenklappe bei Hannover 96 ist HIIT kein neuer Trend auf dem Sportlehrer-Übungsmarkt. Stattdessen lässt sich der Ursprung des Hochintensitäts-Trainings in der Leichtathletik finden. HIIT fußt auf den Erkenntnissen des schwedischen Leichtathletik-Nationaltrainers Gösta Holmer, der bereits 1930 das sogenannte Fahrtspiel (im Original: fartlek) entwickelte, bei dem das Lauftempo während eines Dauerlaufes mehrmals gesteigert und verringert wird. Bis heute gilt Holmers Trainingsmethode als eine der wirkungsvollste für den Kurz- und Mittelstreckenlauf. Der erste auffallend erfolgreiche Athlet, der mit intensivem Intervalltraining seinen Mitstreitern über Jahre hinweg davon lief, war in den 40-er Jahren dann schließlich der tschechische Langstreckenläufer Emil „die Lokomotive“ Zatopek. Der 2013 zum „Greatest Runner of all Time“ gewählte Zatopek gewann vier Goldmedaillen bei Olympischen Spielen und revolutionierte die Diskussionen um die Physiologie des Trainings.

Erheblich weiterentwickelt wurde HIIT in einer Studie des Wissenschaftlers Izumi Tabata im Jahr 1996. Der Japaner fand dabei heraus, dass intensive, vierminütige Workouts an fünf Tagen in der Woche über einen Zeitraum von sechs Wochen zu einer massiv gesteigerten maximalen Sauerstoffverwertung und einer Anpassung des aeroben Stoffwechsels führten. Was über einige Jahre hinweg vor allem als Trainingsoptimierung für Sprinter galt, driftete in der Vergangenheit auch in andere Sphären des Sports. Während sich HIIT bei Kraftsportlern ebenfalls seit einiger Zeit an Beliebtheit erfreut, findet die Methode mittlerweile auch im Fußball seinen Einzug – der große FC Barcelona zum Beispiel trainiert seit Jahren damit.

Der Puls muss rasen

Analog zum Sprinter steht natürlich auch beim Fußballer die Verbesserung der aeroben Kapazität im Vordergrund. Kann die gesteigert werden, führt das zu einer höheren Laufleistung, mehr Sprints und folglich mehr Ballbesitz. Diplom-Sportwissenschaftlerin Johanna Brings sagt Spielern einer hohen Sauerstoffaufnahmefähigkeit außerdem eine bessere Leistungskonstanz auf, was sich nicht nur im Saisonverlauf auswirkt, sondern auch schon während des einzelnen Spiels: Laut ihr legen mäßig trainierte Spieler in der zweiten Halbzeit meist bereits kürzere Wege zurück als noch vor der Pause.


Gehen wir also ans Eingemachte: Was macht hochintensives Intervalltraining aus? Die maximale Sauerstoffaufnahme, die wir letztlich steigern wollen, hängt dabei maßgeblich vom Schlagvolumen des Herzens ab. Um dieses zu erhöhen, muss der Puls im Training möglichst nah am Maximum liegen, also bei 90 bis 95 Prozent. Das Trainingsziel ist in der Regel damit eine „Ausbelastung“ des Athleten, damit hohe Trainingsreize entsprechende Anpassungsprozesse auslösen können.

Wie funktioniert’s?

Im Prinzip ist das Konzept dazu sehr simpel: In Phasen von relativ kurzer Belastungsdauer (bis ca. 30 Sekunden) wird eine sehr hohe (bis maximale) Trainingsbelastung induziert. Diesen intensiven Belastungen folgen intervallartig Phasen mit relativ großen Pausen (bis zu 10x so lange wie die Belastung beziehungsweise bis das subjektive Empfinden „ok“ sagt.).

Bezüglich der Dauer des Trainings gibt es bis heute zahlreiche Diskussionen. Sportwissenschaftlerin Brings setzt für die Gesamtbelastungsdauer circa 15 Minuten an und empfiehlt aus praktischen Überlegungen das Prinzip 4×4 Minuten: vier Minuten intensive Belastung, drei Minuten lockerer Belastung, vier Wiederholungen. Ihre Gründe sind praktischer Natur, da der Wechsel von Belastung und Pause nicht so oft und schnell vollzogen werden muss. Dadurch fällt die Kontrolle der Herzfrequenz, sobald sie sich einmal eingependelt hat, leichter als beim kurzen Intervall und die Spieler empfinden das 4-Minuten-Intervall allgemein als kurzweiliger.

Der norwegische Forscher Bent Rønnestad von der Hochschule Lillehammer fand in seiner aktuellen Studie zu HIIT-Einheiten dahingegen heraus, dass sich Leistungsfähigkeit und maximale Sauerstoffaufnahme bei den Probanden durch drei Kurzeinheiten stärker verbesserten als mit langen HIIT-Intervallen. Wie lange die Übung am Ende dauern soll, hängt letztlich vor allem auch davon ab, wie das Team die Einheiten verkraftet. Der semi-professionelle Fußballer kann an dieser Stelle übrigens ein wenig durchatmen: Für ihn fand Rønnestad heraus, dass HIIT-Einheiten in der Saisonpause nicht jede Woche ausgeführt werden müssen, um die maximale Sauerstoffaufnahme auf einem Niveau zu halten. Alle zwei Wochen eine Einheit reichte genauso.

Auch im Fußball auf der Überholspur

Doch für manchen ist auch das schon schwer unterzukriegen, warum sollte ich also überhaupt auf hochintensives Intervalltraining setzen? Wie wichtig Schnelligkeit im Fußball ist, weiß Diplom-Sportwissenschaftler Sammy Schmale. Im Rahmen von Ingo Anderbrügges Fußballfabrik hat Sammy für uns schon einmal seine Trainingseinheiten zum Thema Schnelligkeit festgehalten. Der Athletik- und Speed-Trainer versucht, nun auch in Deutschland Schnelligkeit in der Ausbildung der Fußballer deutlicher in den Vordergrund zu stellen. 

Sammy Schmale

Und das nicht ohne Grund: Wir haben bereits zu Beginn gesehen, dass der Fußball und damit auch die Anforderungen an ihn immer schneller werden. Schauen wir uns das Spiel von heute an, könnte man sagen, dass es gerade diese intervallartigen Belastungsformen sind, die die Anforderungen an die Ausdauerleistungsfähigkeit im Fußball so besonders machen: Immer wieder starten, kurz sprinten, dann abstoppen, locker traben – das alles ist mittlerweile so Gang und Gäbe wie die Laufleistungen der Spieler um die 12 Kilometer pro Partie. Wer fußballspezifische Belastungsformen im Spiel abrufen will, der sollte sie logischerweise auch trainieren!

Gerade aus diesem Grund zeigt sich Georg Wallner, Reha- und Athletiktrainer der SpVgg Unterhaching überzeugt von HIIT: „Ich arbeite im Fußball häufig mit der Methode, da die Belastungsintervalle äußerst nah an die sportartspezifischen Anforderungen angepasst werden können, d.h. kurze Laufwege, hohe Geschwindigkeiten, viele Richtungswechsel“, macht Wallner die Chancen von HIIT-Übungen für den Fußball aus.

Ganz allgemein erfreuen sich die Einheiten oftmals an Beliebtheit, weil sie im Vergleich zum traditionellen Ausdauertraining vor allem besonders effizient sind. Unser Schnelligkeits-Spezialist Sammy hebt hervor, „dass man mit relativ wenig Zeitaufwand seine Form über einen gewissen Zeitraum stabilisieren beziehungsweise mit wenigen Einheiten entsprechende Anpassungs- und somit Leistungsverbesserungen im Ausdauerbereich erzielen kann.“

Die Belastung hat es in sich

Die schnellen, kleinen Sprünge über die Mini-Hürden werden mit hoher Intensität ausgeführt.

Wie jede andere Trainingsmethode kommt jedoch auch HIIT nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen um die Ecke, bekannte Lauftrainer wie Arthur Lydiard oder Ernst van Aaken hatten beispielsweise Zweifel an der Intensität des Trainings. Dadurch, dass die Belastung während der HIIT-Einheit in der Regel nur kurzfristig ausgeführt werden muss, trainiert der Athlet bereitwillig mit einer hochintensiven Belastung. Vor allem bei ungenügend trainierten Athleten kann diese Belastung durch Überlastung zu Problemen führen. Georg Wallner setzt daher stets voraus, dass „für die Anwendung der HIIT-Methode die Trainingsperson über eine ausreichende Fähigkeit der Grundlagenausdauer verfügen und in einem guten gesundheitlicher Allgemeinzustand sein sollte.“

Sammy’s Rat

Wenn ihr dennoch HIIT-Übungen in euren Trainingsalltag integrieren wollt, macht Sammy für unsere Trainer noch ein paar kleine Herausforderungen aus: Zum Einen muss der Trainer sich fragen, woran er im Trainingsalltag ohne großen apparativen Aufwand objektiv die Trainingsintensität seiner Athleten einschätzen kann. Hier muss der Coach also ein gutes Auge und etwas Fingerspitzengefühl für seine Spieler haben. Die andere Herausforderung besteht in der langfristigen Etablierung der Trainingsform in den Trainingsplan. Welche Dauer empfehlenswert ist, haben erste Wissenschaftler herausgestellt – was ihr Eurem Team zumuten wollt und könnt ist die andere Frage. Auch für Sammy spielt „die Dosierung der Intensität in Verbindung mit der absolut notwendigen Erholung und Regeneration die entscheidende Rolle.“

HIIT the ball!

Selbst im Kinder- und Jugendbereich kann diese Form durchaus schon in Staffeln oder anderen Wettspielformen zum Einsatz kommen. Jeder Trainer weiß allerdings, wie groß der Aufruhr unter den Kinder- und Jugendspielern jedes Mal ist, wenn es heißt „Bälle weg!“. Hochintensives Training ist deshalb auch mit der Pille machbar. Ganz wichtig ist dabei, dass der Ball in der vorher bestimmten Spielzeit ununterbrochen im Spiel ist. Habt also stets genügend Ersatzbälle am Spielfeldrand parat, dass es immer sofort wieder weitergehen kann. Lasst am besten mit kleinen Teams auf kleinere abgesteckte Felder spielen und wiederholt diese Einheiten mehrfach. Um ein richtiges Intervalltraining auf die Beine zu stellen, müssen natürlich auch die Pausen zwischen den Spielen als aktive Erholungsphasen genutzt werden.

Ob mit oder ohne Ball – High Intensity Intervall Training kann nicht nur bei Profis angewendet werden. Auch im Amateurbereich kann es eine interessante Trainingsmethodik sein, um seine Ausdauerleistungsfähigkeit mit relativ kleinen Zeitaufwand zu halten beziehungsweise zu verbessern. Aber denkt dran: HIIT ist kein Wundermittel, ganz ohne „normales“ Ausdauertraining kommt euer Team deswegen nicht aus. In welcher Form und Regelmäßigkeit ihr HIIT dennoch auch in euer Training miteinbeziehen wollte, müsst ihr am Ende auch individuell für eure Mannschaft herausfinden – bewährt hat sich HIIT über die letzten 85 Jahre hinweg allemal.

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