Der Muskel ist verletzt… und jetzt?

Kaum jemand, der aktiv Sport betreibt, wird wohl von sich sagen können, dass er noch nie mit einer Muskelverletzung zu kämpfen hatte. Und wenn doch, dann hat er es wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen! Kaum eine Sportverletzung erleiden wir so häufig wie eine Muskelverletzung. Und doch werden Verletzungen unserer über 300 Muskeln immer wieder unterschätzt, Möglichkeiten der Therapie und Vorbeugung werden verkannt. Wir bei 1x1SPORT kämpfen dagegen an und leisten heute mal ein wenig Aufklärungsarbeit. Was sind die Ursachen von Muskelverletzungen? Welche Art solcher Verletzungen gibt es? Wie lassen sie sich behandeln und noch wichtiger: Was kannst Du tun, damit es gar nicht erst so weit kommt?

Stramme Beinmuskeln… Wir sagen Euch heute, wie ihr Euch am besten vor Muskelverletzungen schützt!

Laut fitforfun erleidet pro Jahr jeder fünfte Sportler eine Muskelverletzung. Doch Sportler bestimmter Sportarten sind anfälliger für Muskelverletzungen als andere. Der ehemalige Mannschaftsarzt des FC St. Pauli und HTHC, verweist dabei vor allen Dingen auf die beliebten Mannschaftssportarten:

Häufig treten Zerrungen in Sportarten auf, in denen schnelle Antritte, Sprünge und explosive Richtungswechsel gefordert sind, wie im Fußball, Handball, Basketball und Hockey.

Dr. Jürgen Küchlin

im Abendblatt

Auch der Nationalmannschaftsarzt Dr. Müller-Wohlfahrt und zwei seiner Kollegen bestätigen diese Tendenz vor allem für den Fußball. Demnach handelt es sich bei 35 Prozent aller Fußballunfälle um Muskelverletzungen. Nahezu alle dieser Muskelverletzungen treten dabei ohne Einwirkung eines Gegenspielers auf, auch wenn das Verletzungsrisiko im Wettkampf sechsmal höher als im Training ist.

Die Mehrheit dieser Verletzungen findet in der Oberschenkelmuskulatur statt und dabei vor allem im Beinbeuger. Dort ist vor allem der Musculus biceps femoris betroffen. Zu 16 Prozent handelt es sich bei der Verletzung um das Aufbrechen einer alten Muskelverletzung und zu 30 Prozent erhöht sich die Ausfallzeit bei solch einer Verletzungswiederholung.

Aus diesen Gründen sollten Muskelverletzungen immer ernst genommen, richtig behandelt und ihnen bestenfalls vorgebeugt werden.

Der Beinbeuger: ein besonders verletzungsanfälliger Muskel. CC BY-SA 3.0 r@ge

Ursachen von Muskelverletzungen

Jeder Sportler weiß. dass die Muskulatur im Grunde genommen ein enorm anpassungsfähiges System darstellt. Bei Belastung werden die betroffenen Muskeln besser durchblutet, bei Krafttraining nimmt die Muskelmasse zu und bei Konditionstraining wird der Energiestoffwechsel verändert. Das bringt uns wie wir sehen zahlreiche Vorteile, kann aber auch Gefahren bergen. Denn gerade weil die Muskulatur ein solch sensibles System ist, kann der Schuss auch schnell mal nach hinten los gehen. Bei einer Überdehnung kann es etwa zur Muskelzerrung kommen, bei zusätzlichen Anforderungen, die dann über die Kraft des Muskels hinausgehen, zum Muskelfaserriss oder gar dem Muskelriss. Dass in den körperlich „schnellen“ Sportarten immer wieder Muskelverletzungen wie der klassische Muskelfaserriss auftreten, liegt wie wir gehört haben in erster Linie schlichtweg an den Anforderungen der spezifischen Sportarten. Gerade das Anhalten, Abbremsen oder Beschleunigen führt zu einer kurzzeitig hohen Belastung der Muskelschnellkraft und der Muskel kann folglich die enormen Zugkräfte einfach nicht mehr auffangen. Fehl- oder Überbelastungen sind stets Auslöser einer Muskelverletzung. Doch es gibt darüber hinaus weitere Ursachen und Risikofaktoren, die Muskelverletzungen ganz generell auslösen können:

  • Fußfehlstellungen
  • falsches oder ungewohntes Schuhwerk
  • ungeeigneter Laufuntergrund
  • Muskelverkürzungen oder -verhärtungen
  • kalte Witterung und unpassende Kleidung
  • zu rasche Erhöhung der Trainingsleistung
  • zu kurze Regeneration
  • zu rascher Wiedereinstieg ins Training nach vorangegangenen Muskelverletzungen
  • Kochsalz- und Mineralstoffmängel
  • allgemeine Ermüdung

Arten von Muskelverletzungen

Doch Muskelverletzung ist natürlich nicht gleich Muskelverletzung. Zerrungen, Faserrisse und Risse haben wir bereits erwähnt. Doch es muss ja nicht immer gleich ganz so schlimm sein. Welche verschiedenen Arten von Muskelverletzungen es gibt und was deren Eigenschaften sind, seht ihr hier:

Arjen Robben konnte seinem FCB in den entscheidenden Spielen der letzten Saison nicht mehr helfen: Erst setzte ihn ein Muskelriss, dann ein Muskelbündelriss außer Gefecht CC BY-S.A. 2.0 rayand
Arjen Robben konnte seinem FCB in den entscheidenden Spielen der letzten Saison nicht mehr helfen: Erst setzte ihn eine Muskelriss, dann ein Muskelbündelriss außer Gefecht.
CC BY-S.A. 2.0 rayand

  • Muskelhärtung: durch Stoffwechselveränderungen bedingt, tastbar, meist chronisch
  • Muskelkrampf: plötzlich auftretende Schmerzen durch ungewollte Muskelanspannung, oft durch Mineralstoffmangel bedingt, aber meist ohne erkennbare Ursache
  • Muskelkater: allgemeiner Muskelschmerz durch kleinste Schädigungen der Muskulatur in Folge ungewohnter oder übermäßiger Belastungen, geht einher mit reduzierter Beweglichkeit und Kraftverlust
  • Muskelprellung: Druckschmerz, entsteht durch Gewalteinwirkung, kann zu Lähmungsgefühlen führen (Pferdekuss)
  • Muskelzerrung: zunehmender Schmerz, Gefühl der Spannung, krampfartiges Ziehen durch übermäßige Dehnung der Muskulatur, Bewegungseinschränkung, aber Erhaltung der anatomischen Struktur
  • Muskelfaser-/Muskelbündelriss: plötzlicher Schmerz durch übermäßige Dehnung der Muskulatur, tastbare Dellenbildung in der Muskulatur durch Risse in einzelnen Muskelbündeln
  • Muskelriss: plötzlicher, sehr starker Schmerz durch Trennung eines Muskels durch den Querschnitt, tastbare und optisch darstellbare Dellenbildung in der Muskulatur durch den Riss vieler Muskelbündel

Arjen Robben konnte seinem FCB in den entscheidenden Spielen der letzten Saison nicht mehr helfen: Erst setzte ihn eine Muskelriss, dann ein Muskelbündelriss außer Gefecht. CC BY-S.A. 2.0 rayand

Viele der Muskelverletzungen gehen also mit einem deutlich erkennbaren Schmerz einher und werden daher im Normalfall auch vom Betroffenen bemerkt. Und trotzdem wird eine Muskelverletzung im Wettkampf meist heruntergespielt und der Spieler bleibt auf dem Platz, bis wirklich gar nichts mehr geht. Und so wird aus einer einfachen Zerrung schnell mal ein Riss mit deutlich längerer Ausfallzeit.

Bei einer Muskelhärtung, einem Krampf oder einem Muskelkater sieht die Sache noch nicht ganz so schlimm aus:
Eine Härtung kann den Sportler einschränken und sollte behandelt werden, wird in der Regel aber keine anderen Muskelverletzungen auslösen.

Ein Krampf zwingt den Sportler unter Umständen zu einer kurzen Belastungspause und ist auch nicht allzu angenehm, führt normalerweise aber ebenso wenig zu Folgeverletzungen. Die vier „Bs“ Beugen, Bewegen, Bearbeiten und Brausen können hier schnell Abhilfe schaffen.

Der Muskelkater kann den Sportler in seinen Bewegungen einschränken und dafür sorgen, dass er sein Training an diese Begebenheiten anpassen muss.

Bei einer Prellung, einer Zerrung oder jeglichem Riss ist hingegen höchste Vorsicht geboten:
Mit einer leichten Prellung kann womöglich noch weitertrainiert werden, spätestens bei einer schweren Prellung ist dann aber Schluss. Empfohlen wird vom DFB die sofortige Anwendung der PECH-Regel.
Mit einer Zerrung riskiert der Spieler bei weiterer Belastung eine schlimmere Verletzung, die Belastung sollte dann beendet werden. Empfohlen wird vom DFB die Kühlung und Dehnung der Muskulatur sowie ein lockeres Krafttraining statt einer zu schnellen Wiederaufnahme des Spielbetriebs.
Bei einem Faser- oder Bündelriss ist eine Fortsetzung der Belastung kaum noch möglich und daher auch unbedingt zu unterlassen. Empfohlen wird vom DFB die sofortige Anwendung der PECH-Regel.
Bei einem Muskelriss ist ebenso wenig an eine Wiederaufnahme der Belastung zu denken. Empfohlen wird vom DFB die sofortige Anwendung der PECH-Regel.

Behandlung von Muskelverletzungen

Eine geeignete Erstversorgung der meisten schwerwiegenderen Muskelverletzungen kann vom Patienten selbst oder jedem helfenden Laien unter Anwendung der sogenannten PECH-Regel gewährleistet werden. PECH, das steht für Pause, Eis, Compression und Hochlagern. Demnach soll also

  1. die Belastung eingestellt, der Muskel ruhiggestellt und weitere Belastung vermieden,
  2. durch die Kühlung der Muskulatur für die Verengung der Blutgefäße an der betroffenen Stelle gesorgt,
  3. mit einem Kompressionsverband die Ausweitung der Schwellung und Blutung vermindert,
  4. und durch eine Lagerung des Muskels bestenfalls über Herzhöhe der Rückfluss des Bluts unterstützt werden.

Natürlich ersetzt diese Erstbehandlung nicht den obligatorischen Besuch beim Mediziner. Wichtig ist hierbei, dass ihr euch – egal wie sportfanatisch ihr seid – an die vom Arzt verschriebene Pause haltet. Eine zu frühe Wiederbelastung kann schnell zum erneuten Aufbruch der Verletzung führen und die Leidenszeit verlängert sich nur unnötig. Wie lange ihr insgesamt pausieren müsst hängt ganz und gar von der Schwere der Verletzung ab und muss für jeden Fall individuell untersucht werden, bei einem Muskelfaserriss beispielsweise dauert allein die Vernarbung der gerissenen Fasern im Normalfall mindestens zwei Wochen. Bis in diesem Gewebe auch die erforderliche Stabilität erreicht ist, können auch einmal sechs Wochen und mehr vergehen.

Noch vor dem Gang zum Arzt kann mit der PECH-Regel für eine optimale Erstversorgung gesorgt werden. CC BY-SA 3.0 Talento Tec

Vorbeugung vor Muskelverletzungen

Auch wenn als Sportler das Risiko einer Muskelverletzung nie ganz umgehen werden kann, so gibt es dennoch ein paar Tipps, Tricks und Strategien, die dafür sorgen, dass es womöglich gar nicht erst so weit kommt. Muskelverletzungen können also nicht ausgeschlossen werden, aber ihnen kann vorgebeugt werden. Wie das geht? Ganz einfach:

  • Aufwärmen: Warm-up ist Pflicht. Mit einem ausgewogenen Aufwärmprogramm bringt ihr euren Körper auf Betriebstemperatur. Das ganze Programm darf dabei ruhig auch mal 20 Minuten dauern. Inwiefern in diesem Programm auch das Dehnen eine Rolle spielen sollte, könnt ihr hier noch einmal nachlesen.
  • Zeiteinteilung: Man weiß, dass vor allem Faserrisse sehr häufig etwa 30 bis 60 Minuten nach Beginn der Belastung auftreten. Falls man die Möglichkeit dazu hat, kann man zu intensive Belastungen in dieser Zeit also unter Umständen vermeiden.
  • Ausrüstung: Auch die richtige Kleidung ist Pflicht. Das Auskühlen der Muskulatur sollte mit adäquater Kleidung vermieden werden, gerade bei kühler Außentemperatur wird dieser Punkt entscheidend. Doch auch etwa das richtige Schuhwerk spielt hier mit rein.
  • Kräftigung: Ganz wichtig bei der Kräftigung der Muskulatur ist, dass sowohl der Agonist (Spieler) als auch der Antagonist (Gegenspieler) beansprucht werden. Gerade im Fußball spielt etwa der Agonist im Training eine größere Rolle – dem soll damit entgegen gewirkt werden.
  • Asymmetrien und Dysbalancen: Diese sollen erkannt und vermieden werden! Etwa bei einer schwächeren Oberschenkelrückseite handelt es sich um solch eine Dysbalance. Zur Erkennung hilft beispielsweise das Tool „Functional Movement Screening“.
  • Regeneration: Die Aktivität sollte immer dem Leistungsvermögen entsprechen. Also ruhig auch mal einen Gang zurückschalten, eine Pause einlegen und der Muskulatur ausreichend Zeit zur Regeneration geben. Bei allgemeiner Müdigkeit oder spezifischer Muskelermüdung ist das Verletzungsrisiko außerdem deutlich erhöht.
  • Leistungssteigerung: Natürlich wollt ihr immer mehr, doch das geht nicht immer auf einmal. An Leistungssteigerungen muss sich der Körper langsam und stetig gewöhnen. Wer zu schnell zu viel will, riskiert eher eine Verletzung.
  • Cooldown: Am Ende der Einheit fahrt ihr den Körper noch einmal langsam runter. Auch das Dehnen gehört hier dazu und sorgt dafür, dass die Muskulatur vor Verletzungen geschützt wird.
  • Ernährung: Sie ist das A und O des Energiestoffwechsels und damit der Leistungsfähigkeit der Muskulatur. Dazu zählt eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr während und nach des Training sowie eine ausgewogene Ernährung. Auch die Versorgung mit Elektrolyten und vor allem Magnesium kann hierbei eine Rolle spielen.
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