Wer kennt das noch aus seiner aktiven Zeit? Die ersten Trainingseinheiten nach der Sommerpause…allein beim Gedanken daran läuft es einem kalt den Rücken herunter. Bis zum ersten Punktspiel dauert es noch fünf oder sechs Wochen und vom Trainer kommt die Anweisung: „Nehmt zu den ersten Einheiten mal die Laufschuhe mit.“ Klingt nach Spaß. Irgendwie hat sich das so etabliert. Vor der Saison wird Kondition gebolzt. Das heißt Waldläufe, stupide um den Platz rennen und der Ball hat erst mal gar nichts im Training verloren. Kurzum: Alles, was keinen Spaß macht, hat Hochkonjunktur.
Ob das Ganze Sinn macht oder nicht, wird komischerweise gar nicht erst hinterfragt. Meistens handelt es sich dabei um einen klassischen Fall von „des hom mir scho oiwei so g’macht.“ Deswegen hier mal eine klare Ansage und Aufforderung an alle Trainer: Lasst den Schmarrn! Die Spieler haben gerade eine fußballfreie Zeit hinter sich und sind heiß aufs Kicken. Welchen Sinn macht es da, ihnen die Vorfreude und Lust am Sport durch stupides Lauf- oder Krafttraining zu nehmen? Richtig. Gar keinen.
Roland Reichel, DFB-Fußballlehrer und sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums beim FC Ingolstadt, sieht das ähnlich und hat dem Thema sogar eine ganze Fußball-Lizenztrainer Fortbildung gewidmet. Seiner Meinung nach muss Folgendes in den Trainerköpfen etabliert werden: Die Sommervorbereitung sollte die geilste Zeit für die Spieler sein. Das heißt: schießen, spielen, Spaß haben. Die Sonne scheint, man trifft seine Kumpels aus der Mannschaft wieder und hat einfach nur Bock, Fußball zu spielen. Und genau das muss man ausnutzen und nicht zerstören. Dann hat man auch nicht das Problem, dass am Anfang weniger Spieler ins Training kommen.
Natürlich gehört zur Vorbereitung auch ein bisschen Konditions- und Krafttraining. Aber wer sagt, dass man das ohne Ball machen muss? Durch intensive Spielformen mit wechselnden Belastungen trainiert man automatisch nahezu perfekt die aeroben und anaeroben Bereiche. Jede Übung, bei der sich die Spieler bewegen, ist eine leichte konditionelle Belastung. Schnelligkeit kann man ganz einfach mit Zweikämpfen und/ oder Torschüssen kombinieren.
Reichel appelliert auch an die Vernunft der Trainer: „Jemand der seit vielen Jahren Fußball spielt, verlernt das ja nicht innerhalb von sechs Wochen. Nach der Pause muss man nicht so tun, als hätte man es mit Sportanfängern zu tun und sie erst einmal zwei Wochen ins Lauftrainingslager schicken.“ Selbstverständlich hat man durch die Pause einen kleinen Leistungsverlust, aber nachdem die meisten ohnehin weiter Sport machen, schwimmen gehen oder von ihren Kindern auf Trab gehalten werden, dauert es meistens
nicht lange, bis man wieder in Fußball-Form ist. Außerdem verliert man durch die Pause kaum an aerober Kapazität. Die fußballspezifische Koordination sowie die Ausbelastungsfähigkeit (anaerober Bereich) sollte nach wenigen Einheiten wieder da sein.
Roland Reichel hat sich für uns dem Thema mal angenommen.
Hier sind seine wichtigsten Tipps und Übungen für eine gelungene Sommervorbereitung im Fußball:
1. Viel spielen
Spielformen statt Laufen heißt das Motto. Wenn ein Marathonläufer Fußball spielt und man schickt ihn zweimal steil, erholt er sich langsamer als ein Fußballer. Soll heißen: Viel wichtiger als isolierte Ausdauer ist die Anpassung an den Sport und den sportartspezifischen Belastungswechsel, also den Wechsel zwischen aerober und anaerober Belastung. Durch Spielformen lässt sich dieser Wechsel perfekt trainieren. Sportwissenschaftlich gesehen machen ewige Ausdauerläufe also zum Glück wenig Sinn. Außerdem hat man durch das Spiel automatisch eine individuelle Leistungssteigerung. Ein kleiner, bulliger, schnellkräftiger Spieler bewegt sich zwar weniger als ein laufstarker Sechser, hat im Spiel aber einen ähnlichen Puls und ähnliche individuelle Belastung.
Wenn das Training Spaß macht, man Spielformen miteinbezieht und die Spieler Tore schießen können, wird keiner rumstehen, sondern die Spieler laufen automatisch und trainieren so ihre Ausdauer. Und mehr Spaß macht es auch.
Allerdings sollte man darauf achten, nicht von 0 auf 100 einzusteigen, also die ersten zwei Wochen keine hochintensiven Spielformen, wie Vier-gegen-Vier oder Fünf-gegen-Fünf, durchführen. Später spricht aber nichts gegen ein kleines Turnier mit Viererteams. Fußballer wollen gewinnen. Wenn der Coach mitschreibt und eine kleine Siegerehrung ausruft, werden sich die Spieler reinhängen und trainieren automatisch im hochintensiven, fußballspezifischen Belastungsbereich.
Ein Spiel ist zudem auch immer ein gutes Mittel, um als Trainer herauszufinden, was man noch verändern muss. Denn die Vorbereitung sollte man auch nutzen, um Schwerpunkte im taktischen Bereich zu trainieren; vor allem wenn man eine Mannschaft neu übernimmt.
2. Technisch-Taktischer Rundlauf
Eine super Übung (nicht nur) für die Vorbereitung ist der Technisch-Taktische-Rundlauf (TTR). Dabei geht es vor allem darum, den entscheidenden letzten Pass durch die Abwehrkette sowie den Torabschluss zu trainieren. Dazu stellt sich eine Gruppe von Spielern im Halbfeld, etwa fünf bis zehn Meter vor dem Strafraum, auf. Kurz vor dem Strafraum stehen, jeweils Richtung Mitte, zwei weitere Spieler.
Übung 1:
Die D1-Sequenz – also die Distanz zwischen Passgeber und letzter Abwehrkette – ist kurz. Aus dem rechten Halbfeld wird der Ball vom ersten Spieler der Gruppe (Position 1) in ein Zielfeld im Strafraum gespielt. Die beiden Stürmer ziehen nach innen, zwischen die (imaginären) Innenverteidiger. Die lange Spitze (also derjenige, der mittiger und weiter entfernt von der Startgruppe steht; Position 3) startet durch und schließt direkt auf das halbe Tor ab. Der Spieler, der aufs Tor geschossen hat, reiht sich in die Startgruppe ein, Position 2, also der Stürmer, der nicht aufs Tor geschossen hat, übernimmt für den nächsten Durchgang Position 3.
Gleichzeitig kann man Übung 2 mit einer weiteren Gruppe auf der linken Seite des Strafraums mit Abschluss auf die andere Torhälfte starten lassen:
Übung 2:
D1 ist hier länger. Die Spieler starten deshlab etwas weiter vom Strafraum entfernt. Der Pass wird aus dem linken Halbfeld auf die lange Spitze gespielt. Dieser Stürmer steckt direkt auf die startende kurze Spitze durch, die zum Abschluss auf das halbe Tor kommt. Danach rückt jeder Spieler eine Position auf. Es gibt noch zwei weitere Varianten:
Übung 3:
D1 ist, wie bei Übung 1, kurz. Den Pass aus dem rechten Halbfeld ins Zielfeld im Strafraum ersprintet die startende kurze Spitze (Position 2) und schließt sofort auf das halbe Tor ab. Position 1 rückt auf 3, Position 2 in die Startgruppe und Position 3 auf 2 und wird somit zum abschließenden Stürmer. Vor dem ersten Pass sollte sich auch der Spieler auf Position 3 anbieten, um einen realitätsnahen Spielzug zu simulieren.
Übung 4:
D1 ist wie bei Übung 2 länger. Der Pass aus dem linken Halbfeld erreicht die kurze Spitze. Dieser Stürmer legt direkt ab auf die lange Spitze und ersprintet den Doppelpass ins Zielfeld im Strafraum, wo er wieder direkt abschließt.
Den TTR in kompletter Ausführung gibt es in Rolands Workshop zu sehen.
Passt das Tempo an die Spieleranzahl an, sodass die Spieler permanent in Bewegung sind. Nur so trainiert ihr auch die Ausdauer. Je nach gewünschtem Trainingseffekt könnt ihr das Tempo natürlich auch steigern oder drosseln. Dadurch habt ihr die Möglichkeit, zwischen regenerativer, extensiver oder intensiver aerober Belastung zu variieren. Wenn ihr eure Spieler bestimmte Strecken auch noch sprinten lasst, kommt ihr unter Umständen auch in den anaeroben Bereich. Da die Übung sowohl technische als auch taktische Aspekte beinhaltet, ist sie auch ideal für die Wettkampfperiode, zum Beispiel im Aufwärmprogramm.
3. Keine Trainingsformen ohne Tor
Im Fußball geht es darum, Tore zu schießen. Bei knapp verlorenen Spielen geht es hinterher immer um die Chancenverwertung. Denn die entscheidet meistens über Sieg oder Niederlage.
Habt ihr euch schon mal das Training einer Basketball- oder Handballmannschaft angesehen? Da beinhaltet fast jede Trainingsform einen Korb- bzw. Torwurf. Warum? Weil es Sinn macht.
Wenn man im Aufwärmen keine Tore dabei hat, dann vier Übungen mit Passstationen und am Ende eine kurze Spielform durchführt, haben die Stürmer vielleicht zweimal aufs Tor geschossen. Ein zehnminütiges Torschusstraining mit 25 Leuten bringt dann auch nicht mehr viel. Nicht selten sieht man ein Fußballtraining, bei dem teilweise 60 oder 70 Minuten nicht ein einziges Mal aufs Tor geschossen wird. Wie sollen die Stürmer so Abschlüsse trainieren?
Außerdem macht mit Torschuss jede Übung mehr Spaß. Das Schönste und Wichtigste für Fußballer ist immer noch ein großes Tor, in dem ein Keeper steht. Nur wenn einem das aus irgendwelchen Gründen nicht zur Verfügung steht, sollte man über andere Mittel und Formen nachdenken.
Wollt ihr beispielsweise Schnelligkeit und Zweikampfverhalten trainieren, ist ein einfaches Eins-gegen-Eins mit dem Keeper ideal. Im heutigen Spiel (ohne Libero) gibt es viel mehr Torchancen, bei dem der Stürmer auf den Torwart zuläuft, während er von hinten Gegnerdruck bekommt. Mal ehrlich: Wie oft trainiert ihr genau diese Situation? Probiert es Mal aus. Ein Stürmer, ein Verteidiger, ein Keeper und ab dafür. So bekommt der Stürmer Routine in solche Situationen unter Zeit- und Gegnerdruck, ihr trainiert Schnelligkeit und Zweikampfverhalten und den Spielern macht es garantiert Spaß.
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4. Geheimtipp: Sprungkrafttraining
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Viele kleine aber feine Sprungkraftübungen auf einem Film.
Wenn ihr in der Vorbereitung nicht komplett auf Krafttraining verzichten wollt, hat Roland folgenden Tipp: Über die ganze Saison hinweg einfach zweimal pro Woche kleine Sprungkrafteinheiten ins Training einbauen. Sprungkraft nach oben und vorne bedeutet auch Schnellkraft nach vorne. Wer hoch springen kann, hat meistens auch eine hervorragende Beschleunigung. Kraft = Explosivität und Kraftzuwachs = Schnelligkeitszuwachs (vorausgesetzt man betreibt neben dem Krafttraining auch eine schnelligkeitsorientierte Sportart).
So müssen sich die Spieler nicht im Kraftraum quälen und im Idealfall kann man das Sprungkrafttraining auch mit Anschlussaktionen, zum Beispiel einem Torschuss, verbinden.
5. Laufen ohne Ball nur als Ausnahme, zur Regeneration oder als Strafe
Ist es nun wirklich so schlimm, dieses isolierte Laufen? Nein, aber es kommt immer drauf an, wozu es dienen soll. Das mit der Ausdauer haben wir ja schon geklärt. Und dass es keinen Spaß macht, wissen wir auch. Aber es spricht nichts gegen lockeres Traben zur Regeneration nach dem Training oder zwischen den Trainingsformen. Dann allerdings wirklich mit sehr geringer Intensität, dadurch regeneriert der Körper schneller als bei Untätigkeit.
Faule Spieler könnt ihr auch als Strafmaßnahme zum Laufen schicken. Die erste Lösung sollte allerdings immer eine Spielform mit Bewegung sein. Ihr könnt beispielsweise im Aufwärmen Flugbälle spielen lassen, bei denen die Spieler immer in Bewegung sein müssen; anbieten, den Ball verarbeiten und mitnehmen, freilaufen, etc. Das ist gutes Training im aeroben Bereich und ihr trainiert gleichzeitig Technik und Flugbälle. Wer denkt, er kann das auch im Stehen, wird einfach zum Laufen geschickt.
Eine Ausnahme ist das Sprinttraining. Maximale Beschleunigung kann man nur ohne Ball trainieren. Das heißt aber nicht, dass die Anschlussaktion fehlen muss. So kann man das Sprinttraining beispielsweise sehr gut mit einem Gassenpass kombinieren. Dadurch trainiert man auf den ersten paar Metern Maximalgeschwindigkeit und kombiniert das Lauftraining wieder mit einer technischen Komponente.
SPASSVOLLE VORBEREITUNG!
Fußball macht Spaß und es gibt zwei Sachen, die auf der Spaßliste ganz oben stehen: Spielen und auf die Kiste ballern. Dabei ist es egal, ob man ein Kind oder den bierbäuchigen AH-Libero fragt. Keiner kommt auf den Gedanken, sich auf dem Bolzplatz zu treffen und sich den Ball im Kreis zuzupassen. Da wird geelfert, Zwei-gegen-Zwei gezockt oder einer stellt sich ins Tor und es wird geschossen. Für den Amateur- und Jugendbereich sollte nichts anderes gelten. Diesen Spaß am Sport sollte man nicht in der Vorbereitung durch verstaubte Denkmuster und langweiliges Training kaputtmachen. Durch ein paar Tricks und Kniffe kann man den Spaßfaktor in Spiel- und Trainingsformen aufrechterhalten und gleichzeitig konditionelle Faktoren mittrainieren. Ohne Waldläufe, ohne Laufschuhe, ohne Krafträume. Raus gehen, kicken und Spaß haben, das sollte man bei allem Ehrgeiz und Tabellenplätzen nicht vergessen beziehungsweise für sich und sein Training nutzen.