„Torhüter müssen speziell und ein bisschen verrückt sein“ – Torwarttrainer Harry Huber im Interview

Bei 1860 München trainiert Harry Huber seit 2011 die Torhüter der Nachwuchsmannschaften. Zugleich fungiert der frühere Jugendspieler des FC Bayern München als Torwarttrainer beim Bayerischen Fußball-Verband. Im Interview gibt er Tipps zur richtigen Ernährung vor dem Spiel und verrät, wann er Talenten zu einem Wechsel zu einem Profiverein rät. Außerdem erklärt er, wie Torhüter abseits des Mannschaftstrainings arbeiten sollten, wer überhaupt für den Posten zwischen den Pfosten geeignet ist und welche Erwartungen er vor einem Probetraining hat.

Harry Huber in seinem Element.

Harry, Du arbeitest bei 1860 München als Torwarttrainer mit den Nachwuchskeepern. Was macht für Dich die besten Spieler einer Mannschaft aus? Haben Sie einfach mehr Talent?

„Talent ist sich eine Grundvoraussetzung. Aber um wirklich ein Top-Spieler zu werden, ist die Einstellung ganz entscheidend. Dazu zählt der gesamte Ablauf des Tages, beispielsweise wie ich mich auf das Training oder den Wettkampf vorbereite.“

Gehört dazu auch die Extraportion Arbeit? Sollten Spieler also auch außerhalb des offiziellen Mannschaftstraining trainieren?

„Ja, denn das ist ein sehr wichtiger Bestandteil. Ein Feldspieler sollte individuell an seinen Schwächen arbeiten – etwa dem Kopfball oder dem schwächeren Fuß. Bei einem Torwart sollte mindestens einmal in der Woche ein komplett gesondertes Training mit dem Torwarttrainer anstehen – abhängig von der Anzahl der allgemeinen Trainingseinheiten und vom Alter. Das kann 45 Minuten vor dem Mannschaftstraining stattfinden, damit er anschließend zum Team stoßen kann. Bei zwei oder drei Torhütern sollte die Extra-Einheit ungefähr eine Stunde dauern.“

Und nach der Belastung, wie verfährst Du in Sachen Regeneration? Gibt es dabei Unterschiede zwischen Feldspielern und Torhütern?

„Feste Abläufe sind nach einem Wettkampf wichtig. Natürlich unterscheiden wir bei der Altersklasse und behandeln einzelne Spieler gesondert, etwa wenn jemand nach längerer Verletzungszeit in die Wettkampfphase zurückgekehrt ist. Für Torhüter ist die Regeneration genauso wichtig, da die Belastung im Spiel durch die hohe Konzentration ebenfalls vorhanden ist.“

Welche Rolle spielt die Ernährung dabei? Gibst Du Deinen Spielern Vorgaben oder Tipps zu diesem Thema?

„Die Ernährung ist gerade für Spieler wichtig, die eine hohe Intensität im Training und Wettbewerb haben. Da sollte man schon differenzieren von der Leistungsklasse her. Vor einem Spiel oder Training ist natürlich etwa Pasta mit Tomatensauce – aber ohne Fleisch – ratsam. Außerdem sollten die Spieler viel trinken und Obst und Gemüse essen.“

Übungen und Fehleranalysen von Harry gibt’s im Online-Kurs.

Was rätst Du Jugendtrainern, ab welchem Alter sollten bestimmte Fähigkeiten explizit trainiert werden?

„An der Schnelligkeit oder Sprungkraft kann man ab der U12 oder U13 arbeiten, die Ausdauer kommt dann ab der U14 dazu. Koordinative Fähigkeiten sind schon von klein auf wichtig. Gezieltes Krafttraining empfehle ich ab der U15. Die Arbeit im Kraftbereich hängt allerdings vom Wachstum und der Entwicklung ab.“

Und wie sieht es mit speziellem Torwarttraining aus?

„Das beginnt ab der U12. Vorher sollten die Torhüter sicher schon die Basistechniken erlernen, wobei aber das Fußballspielen im Vordergrund steht.“

Was machst Du, wenn Spieler eine Übung nicht verstehen?

Harry bei der Detailarbeit mit einem seiner Schützlinge.

„Dann ist wahrscheinlich die Übung zu schwer. In dem Fall gehe ich bei der Aufgabenstellung lieber einen Schritt zurück. Erst wenn der Ablauf reibungslos funktioniert, erschwere ich die Übung und baue möglicherweise auch etwas Neues ein.“

Apropos neu: Holst Du Dir auch mal Inspiration für neue Übungen aus anderen Sportarten?

„Ich habe mir einmal ein Torwarttraining der Handball-Nationalmannschaft angesehen. Da waren sehr interessante Sachen im Bereich Reaktion dabei. Einzelne Elemente kann man da schon in die eigenen Übungen übernehmen.“

Bleiben wir beim Nachwuchs, ab wann und woran merkst Du, dass ein Kind als Torwart geeignet ist?

„Bis zur U11 ist es nicht sinnvoll, einen festen Torhüter zu haben. Sicher ist die Körpergröße bei einem Torwart entscheidend. Außerdem kommt es darauf an, wer überhaupt Lust dazu hat. Ein Torwart muss etwas Spezielles sein – einfach ein bisschen verrückt. Schon im jungen Alter ist sein Auftreten wichtig.“

Er muss also auffallen? Gilt das auch für ein Probetraining? Worauf achtest Du bei so einem „Vorspielen“ besonders?

„Die Probespieler sind ja meistens schon bekannt, weil sie im Wettkampf gesichtet wurden. Also habe ich da schon eine gewisse Erwartungshaltung. Ich beobachte dann schon, wie sich der Spieler verhält, ob er seine Leistung abrufen kann und damit eine Verstärkung für das Team wäre. Das ist dann auch das Hauptkriterium für eine Verpflichtung. In der Regel beobachten wir einen Spieler über einen längeren Zeitraum und laden ihn gegebenenfalls mehrmals ein.“

Angenommen alles läuft prima, er entwickelt sich gut, wann sollte ein talentierter Spieler den Wechsel zu einem Profiverein wagen?

„Ein talentierter einheimischer Spieler kann schon ab der U10 zu einem Profiverein wechseln. Die Voraussetzungen und die Ausbildung dort sind erstklassig – das ist bei einem kleinen Verein so nicht umzusetzen. Natürlich ist es wichtig, einen Spieler nicht zu früh aus seinem familiären Umfeld zu reißen. Deshalb sind Wechsel ins Internat erst ab der U15 sinnvoll.“

Worin liegt der größte Unterschied zum Training mit älteren Spielern?

„Bei der Arbeit mit Jugendlichen ist der Umgang mit ihnen ganz entscheidend. Mit einem erwachsenen Spieler kann ich als Fußballtrainer ganz anders sprechen. Das muss ich abwägen und zugleich noch mehr Gefühl entwickeln.“

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