1x1SPORT-Expertenrunde: Wie schafft man den Sprung vom Durchschnittsspieler zum Top-Spieler

Gute Spieler und vielversprechende Talente gibt es viele…Doch was muss ein Spieler mitbringen, um den Sprung nach ganz oben zu schaffen und sein Hobby zum Beruf zu machen? Welche Faktoren spielen eine Rolle? Worauf achten die großen Vereine? Unsere Experten haben die Antworten…

Ob im Basketball oder Fußball, viele junge Sportler haben einen Traum. Doch wie kann man ihn verwirklichen?

Talent alleine reicht nicht!

Was macht die besten Spieler einer Mannschaft aus? Haben sie einfach mehr Talent, arbeiten sie härter oder wird eine erfolgreiche Sportler-Karriere im Kopf entschieden? Wir haben nachgefragt und lassen die Coaches zu Wort kommen. Egal ob im Fußball, Basketball, Tennis oder Volleyball, nur wenige Spieler schaffen den Sprung nach ganz oben. Es liegt mit Sicherheit nicht am Mangel von Spielern und Talenten. Gerade im Fußball ist der Konkurrenzkampf enorm. Was ist also der entscheidende Unterschied zwischen einem ewigen Talent und einem richtig guten Spieler? In einem Punkt sind sind sie sich unsere Experten größtenteils einig: nur Talent alleine reicht bei Weitem nicht!

Mit von der Partie sind drei Fußballexperten, ein Tennistrainer und ein Volleyball-Erstliga-Coach!

  • Claus Schromm: Sportdirektor & Sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums der SpVgg Unterhaching
  • Ludwig Trifellner: Torwarttrainer, Ehemaliger Torhüter des FC Bayern München, Scout beim HSV
  • Stefan Kohfahl: Trainer der Real Madrid Foundation Clinics
  • Kristijan Mikulec: Tennistrainer beim BTHC Braunschweig
  • Max Hauser: Volleyballtrainer beim TSV Herrsching, Beachvolleyballprofi

Claus Schromm: Die Mentalität ist das A und O

„Also die Begriffe ‚Durchschnittsspieler‘ und ‚Top-Spieler‘ finde ich schwierig. Im Endeffekt geht es ja darum, wer ganz oben ankommt. Und jeder, der die Chance dazu hat, ist ja mit Sicherheit hoch talentiert. Aber da spielen ganz viele Faktoren eine Rolle. Ich glaube, dass es immer mehr auf die Mentalität und den Charakter des Spielers ankommt. Ist er fähig und willig, auch in schwierigen Zeiten seinen Weg entschlossen weiter zu gehen? Lässt er sich von Verletzungen und sportlichen Tiefs aus der Bahn werfen? Wie geht er mit zwischenmenschlichen Problemen, z.B. mit einem Trainer um? Man darf ja nie vergessen, dass nicht jeder Spieler mit jedem Trainer gut auskommt. All diese Dinge dürfen ihn nicht von seinem Weg abbringen.

Die Spieler müssen die Anweisungen von Trainern wie Claus Schromm sofort verinnerlichen und entsprechend umsetzen.

Ludwig Trifellner: Charakter schlägt Talent

Ludwig Trifellner schaut immer auch auf den Charakter des Spielers.

„Ich sage immer: ‚Charakter frisst Talent‘. Je weiter man kommt und je höherklassiger man spielt, umso mehr bewahrheitet sich dieser Leitsatz. Bis zur U13/ U14 kann man nur durch sein Talent und seine fußballerischen Fähigkeiten auffallen und sich durchsetzen. Danach werden Einstellung und Charakter zunehmend zu entscheidenden Faktoren. Wenn man es nach ganz oben schaffen will, muss man sich durchsetzen können, motiviert und engagiert sein und auch mal die Ellbogen ausfahren. Man braucht eine Top-Einstellung, auf und neben dem Platz, man muss sich an die Regeln halten, man muss sich vorbildlich verhalten, zusätzlich trainieren, an seinen Schwächen arbeiten, seine Stärken weiter verbessern; und all das muss der Spieler auch von sich aus machen und wollen. 

Oder, um es mit einem Sprichwort auszudrücken: ‚Ein Hund, den man zur Jagd tragen muss, wird kein Jagdhund.‘ Hinzu kommt außerdem die mentale Stärke. Der beste Fußballer hat keine Chance, wenn er nicht in der Lage ist, sich auch im Kopf voll und ganz auf seinen Weg zu fokussieren und sich im positiven Sinn abzuschotten.“

Schromm:

„Bei manchen Spielern merkt man das auch relativ schnell. Die gehen einfach ganz straight ihren Weg und lassen sich von gar nichts beirren. Es gibt aber auch viele Spieler, die sich nur auf ihr Talent verlassen und das ist sehr schade. Denn von den Top-Talenten kommen, gefühlt, nur 30% oben an, weil sie sich eben nur auf ihr Talent verlassen und glauben, dass es reicht. Ich glaube, dass es aufgrund der sehr guten Ausbildung in Deutschland, nicht nur in den Nachwuchsleistungszentren, sondern auch in vielen kleineren Vereinen, die hervorragende Jugendarbeit leisten, so viele hoch talentierte und gut ausgebildete Spieler gibt, dass dem Talent an sich immer weniger Bedeutung zukommt und die Mentalität immer wichtiger wird.“

Trifellner:

„Das sehe ich ähnlich. Der durchschnittliche Kader einer Mannschaft im Nachwuchsleistungszentrum umfasst etwa 18 Spieler; und da muss man sich erst einmal durchsetzen. Das ist ja auch ein harter Konkurrenzkampf und unter Umständen wird sogar gegeneinander gearbeitet. Und da muss sich ein Spieler durchkämpfen.
Ein Talent, das permanent nur gestreichelt und beschützt wird, kann es meiner Meinung nach nicht nach ganz oben schaffen. Dort erwartet ihn ein Haifischbecken und der schöne, sanfte Fisch, der alles kann, wird dort oben in Nullkommanichts zerfetzt.“

Kristijan Mikulec: Ein Talent muss mehr tun als die anderen

„Im Prinzip sind alle drei Faktoren ausschlaggebend: Talent, Motivation und Einstellung. Am Ende gewinnt immer derjenige, der es am meisten will. Talent ist ein dehnbarer Begriff. Es bedeutet nicht nur, besondere athletische und koordinative Fähigkeiten zu besitzen. Talent heißt auch Disziplin, Wille, Eigenmotivation, familiäre Umstände und so weiter. Alle diese Faktoren sind wichtig und nötig, denn die Dichte im Leistungssport ist so groß geworden, dass es ohne Talent nicht mehr für die Weltspitze reicht. Demnach zählt für mich auch das ‚mehr als andere Tun‘ zum Oberbegriff Talent.“

Kristijan Mikulec fordert von Talenten viel Fleißarbeit.

Max Hauser: Talent wird überschätzt

Max Hauser fordert von Sportlern, dass sie ihr Talent ausschöpfen.

„Meiner Meinung nach wird Talent in der Gesellschaft und im Sport sehr überschätzt. Jeder hat Talente. Die Frage ist, was man dafür tut. Machst du DEN JOB? Ist der Sport deine Nummer 1? Letztendlich geht es darum, das Potenzial auszuschöpfen. Ob du das Potenzial abrufst, wenn es nötig ist, ist dann die dritte Sache: die mentale Sache.“

Mikulec:

„Ja, der unbändige Wille entscheidet maßgeblich über Erfolg und Misserfolg. Ein Match oder ein Spiel dauert teilweise mehrere Stunden – etwa beim Tennis oder beim Snooker. Der Spieler, der es über die gesamte Dauer schafft, an den Sieg zu glauben und der den Sieg mehr will als der Gegner, gewinnt das Match.
Dasselbe gilt aber auch im Mannschaftssport. Während andere Spieler aufgeben oder nicht bereit sind, bis zum Anschlag zu gehen, wird sich der Spieler mit dem Willen und Glauben durchsetzen und am Ende die bessere Leistung zeigen. Diese Eigenschaft zeigt sich besonders bei Führungsspielern.
Stefan Effenberg oder Bastian Schweinsteiger sind sicher herausragende Spieler mit großem Talent. Aber nicht das Können, sondern das Wollen von Schweinsteiger im Finale der WM 2014 war die Eigenschaft, die ihn zum besten Spieler an diesem Abend machte. Das Wollen spiegelt sich nicht nur im Wettkampf wider, sondern auch im Training. Wenn ich mehr will als der andere, bin ich motivierter, ehrgeiziger, tue mehr.“

Stefan Kohfahl: Talent ist die Grundvoraussetzung, aber…

„Es gehört einfach ein komplettes Paket dazu. Das Talent und ein gewisser Fleiß sind aber meiner Meinung nach schon Grundbedingung. Ich komme eher von der spanischen Seite des Scoutings, wo Technik, Antizipation, Handlungs- und Reaktionsschnelligkeit im Vordergrund stehen. Aber alles das nützt nichts, wenn ein Spieler immer wieder falsche Entscheidungen auf dem Spielfeld trifft beziehungsweise kein Timing hat. Talent wird bei uns auch nur durch Anstrengung anerkannt, der herausragende Spieler muss eine Führungsrolle einnehmen und seine Mitspieler unterstützen. Alles das zählt nichts, wenn der Spieler kein würdiges Auftreten hat und Werte wie Toleranz und Teamplay mit den Füßen tritt.“

Sehen wir einige dieser jungen Fußballer in einigen Jahren in der Bundesliga wieder?

Mikulec:

„Ein Durchschnittsspieler ohne herausragende Eigenschaften wie Ballgefühl oder Schnelligkeit kann nur über Fleiß, Disziplin und viel Training zu einem Top-Spieler werden. Auch dabei entscheidet vor allem der Kopf – Motivation und Einstellung zum Sport sind wichtig. Aber ohne das Talent – etwa hinsichtlich der athletischen Eigenschaften – kann sich niemand zum absoluten Top-Spieler entwickeln. Dafür ist die Anzahl an Top-Spielern zu groß geworden.“

Das Gesamtpaket muss stimmen

Trifellner:

„Letztendlich muss das Gesamtpaket des Spielers stimmen. Das ist ähnlich, wie bei einem Puzzle. Nur wenn alle 20 Teile zusammenpassen, kann man Erfolg haben. Das Talent macht davon vielleicht 30% aus, außer man heißt Lionel Messi.
Bei der Ausbildungsqualität in Deutschland schaffen es meiner Meinung nach nur die Spieler mit dem größten Durchsetzungsvermögen.
Das heißt, ein Durchschnittsspieler kann sich theoretisch auch durchsetzen, wenn wer den nötigen Einsatz und die richtige Einstellung hat. Ein Bäckerlehrling, der jeden Tag 500 Brezen backt, ist irgendwann der perfekte Brezenbäcker. Der Fußballspieler, der tagtäglich am Ball trainiert, ist irgendwann der perfekte Techniker. Von daher kann man die technische Seite immer trainieren und verbessern. Die richtige Einstellung hingegen kann man nicht ‚lernen‘; entweder man hat sie oder man hat sie nicht.“

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