Vereinswechsel im Nachwuchsbereich

Es ist der Traum von fast jedem jungen Fußballer: den Sprung zu einem Topverein schaffen. Aber ab wann und für wen macht dieser Schritt eigentlich Sinn? Unsere Experten geben Antworten…

Glaubt man dem stolzen Papa, dann meldeten sich über 30 europäische Spitzenvereinebeim Jugendverein seines Sohns. Die Rede ist wohlgemerkt von einem zum damaligen Zeitpunkt erst 15-jährigen Jungen: dem 1,76m großen Martin Ødegaard aus Drammen bei Oslo. Der Norweger eröffnete vollkommen neue Dimensionen in puncto Talentförderung: Der legendäre Pelé war 16 bei seinem Debüt, Lionel Messi ebenfalls 16, Martin Ødegaard hingegen läuft schon mit 15 für seine Nationalmannschaft auf. Neben dem Titel als jüngster Nationalspieler in Norwegens Fußballgeschichte sicherte sich der offensive Mittelfeldspieler nahezu selbstverständlich bei Heimatverein Strømsgodset IF auch die Auszeichnungen als jüngster Spieler der ersten norwegischen Liga sowie jüngster Torschütze der Tippeligaen. Nachdem allerdings damals bereits derart viele Vereine bei Ødegaard und seinem Jugendverein anklopften, hielt es den norwegischen Youngster auch nur noch bis Januar 2015 in seinem Heimatland.

Martin Ødegaard zählt schon jetzt zu den größten Fußball-Talenten aller Zeiten. © CC-BY-SA-4.0 Kjetil Eggen

Nach einer Odyssee an Probetrainings bei gefühlt sämtlichen Spitzenklubs im
europäischen Fußball und mindestens einer Pressemeldung über einen sicheren Wechsel des Talents pro solcher Einheit, entschied sich Ødegaard letztlich dazu, sich dem spanischen Rekordmeister Real Madrid anzuschließen. Dort spielt er heute in der Segunda Divison B für Real Madrid Castilla, der wohlbekannten Talentschmiede der Königlichen und hat in der spanisches Hauptstadt einen Vertrag bis 2021 unterzeichnet. Nun hat vielleicht nicht jeder Verein einen Martin Ødegaard in seinen Reihen, doch auch in Deutschland schaffen es immer mehr junge talentierte Spieler bis in die Bundesliga-Kader der Top-Teams. Grund genug für uns, einmal zu hinterfragen, was es bei Spielerwechseln im Kinder- und Jugendbereich zu beachten gilt. In einem ersten Teil interessiert uns, was unsere Experten bei 1x1SPORT denn überhaupt von Vereinswechseln im Juniorenbereich halten.

Stillstand wird nicht geduldet

Stefan Kofahl arbeitet in Deutschland für Real Madrid, Ødegaards neuen Verein. Mit einem eigens entworfenen und über Jahre perfektionierten Konzept einer beziehungsweise mehrerer Jugendtalentschmieden überzeugte der ehemalige Fünftliga-Coach unter anderem den spanischen Rekordmeister und leitet heute hierzulande die Real Madrid Foundation Clinics, die Fußballschule der Königlichen für 7 bis 14-Jährige. Wechseln talentierte Kinder und Jugendliche heute von ihrem kleinen Heimatklub zum großen Verein in ihrer Stadt, geht’s oftmals in die sogenannten Nachwuchsleistungszentren dieser Klubs. Auch wenn immer mehr Profi-Vereine in Deutschland für ihre exzellente Arbeit in diesen Zentren ausgezeichnet werden, hält Stefan vom NLZ-Konzept nicht sehr viel: „Ich stehe den Arbeiten an den deutschen Nachwuchsleistungszentren sehr kritisch gegenüber. Immer früher werden die Spieler rekrutiert. Das Potenzial wird ausgeschöpft, selten gefördert. Ist der Spieler etwas stehen geblieben, wird er weggeschickt“.

Situation genau analysieren

Andreas Haidl

Dass die Konkurrenz in solchen Nachwuchsleistungszentren natürlich erheblich größer ist als beim Heimatverein unseres talentierten Jung-Kickers sollte jedem bewusst sein. Gerade deswegen rät uns Andreas Haidl dazu, die Situation des Spielers vor einem möglichen Wechsel genau zu analysieren. Andreas ist langjähriger Trainer der U15 bei der SpVgg Unterhaching und schult nebenbei die Leistungssportklassen des bayerischen Vereins – kennt sich im Jugendbereich und der Arbeit im Nachwuchsleistungszentrum also aus: „Meiner Meinung nach, gibt es da kein einheitliches Vorgehen. Das muss man einfach individuell sehen: Wo spielt er? In welcher Spielklasse spielt der Verein? Hat er gute Mitspieler im alten Verein? Ist der neue Verein wirklich so viel besser? Wie oft trainiert er beim alten Verein?“.

Ob ein Spielerwechsel zu früh kommt oder gerade richtig, macht Andreas vor allem von der momentanen Situation des Spielers bei seinem Heimatverein abhängig: „Oft haben kleinere Vereine goldene Jahrgänge. Dann kann man als junges Talent ein bisschen länger dort bleiben. Wenn man allerdings merkt, dass einer alleine die ganze Mannschaft mitzieht und für den Erfolg verantwortlich ist, muss der vielleicht ein bisschen früher wechseln“.

So früh wie möglich professionell arbeiten?

Manuel Baum, DFB U-20 Nationaltrainer, setzt auf die professionelle Arbeit der renommierten Clubs: „Die Nachwuchsleistungszentren arbeiten mittlerweile alle sehr gut. Wenn ich einen Sohn hätte und vor solch einer Entscheidung stehen würde, dann würde ich schauen, wo das durchgängigste Konzept ist. Für die bestmögliche Ausbildung und um langfristig mithalten zu können, führt laut Baum kaum ein Weg an einem frühen Wechsel vorbei: „Das Ziel von allen Nachwuchsleistungszentren ist natürlich, Spieler möglichst früh zu bekommen, eine geringe Fluktuation und hohe Durchlässigkeit zu haben.

Manuel Baum

 Dann kann ich einen Spieler organisch in Ruhe entwickeln. Wenn der Spieler so spät dazukommt, dass nur noch der Leistungscharakter zählt, kann schon der eine oder andere Spieler auf der Strecke bleiben. Ich würde mittlerweile empfehlen, so früh wie möglich zu einem Nachwuchsleistungszentrum zu wechseln. Denn die Ausbildung dort ist richtig gut.“

Wer entscheidet: Eltern oder Kinder?

Doch wer entscheidet am Ende eigentlich, ob ein Wechsel nun Sinn macht oder nicht? „Die Eltern entscheiden in dem Alter natürlich“, gibt U15-Trainer Haidl mit ein wenig Zähneknirschen zu verstehen.
Doch bei all dem Denken an Erfolg und die große Karriere appelliert Trainer Max Hauser daran, den Kindern etwas mehr Entscheidungsfreiheit einzuräumen. Der 30-Jährige führte den TSV Herrsching im Volleyball von der Kreisliga in die Bundesliga und gibt zu denken, dass Profi-Sport kein Zuckerschlecken ist: „Grundsätzlich sollte das Kind entscheiden, ob es wirklich sein Leben dem Sport opfern will. Oft machen das die Trainer oder die Eltern. Das führt dann zu nichts. In der Pubertät machen die Kindern dann, was sie wollen und alle sind unzufrieden“. Andreas von der Spielvereinigung sieht das ganze ähnlich: „Oftmals ist es so, dass die Eltern mehr wollen und ehrgeiziger sind als die Kinder. Das ist wirklich ein Problem. Gerade wenn man sich Kleinfeldspiele anschaut, mit welchem Ehrgeiz da die Eltern dabei sind; das ist oftmals nicht förderlich“. Um die Eltern zumindest auf dem Platz zu bremsen, setzt Andreas auf eine gute Kommunikation mit den Vormündern seiner jungen Talente: „Bei uns läuft das ganz gut und vernünftig ab. Wir haben vor Kurzem einen Elternabend abgehalten und klar gemacht, dass wir Trainer fürs Coaching verantwortlich sind. Die Eltern können die Jungs anfeuern, aber Coaching oder cholerisches Auftreten seitens der Eltern muss während den Spielen nicht sein“.

Plan B

Übersteiger wie Messi und Ronaldo: Früh übt sich, wer es bis in den Profifußball schaffen will.

Spielt der Sohn oder die Tochter erfolgreich, sollte es ohnehin keinen Grund geben, auf dem Platz heiser zu werden. Und natürlich kann der Schritt zu einem größeren Verein immer auch den nächsten Schritt in der Entwicklungsstufedes jungen Spielers bedeuten. Ob er auch zum richtigen Zeitpunkt kommt, sollte für jeden Fall individuell abgestimmt werden. Für den Fall, dass der Youngster im NLZ dann aber eben doch – wie von Stefan kritisiert – zu früh fallen gelassen wird, hat der Real-Madrid-Koordinator einen enorm bedeutsamen Tipp parat: „Wichtig ist spätestens in diesem Falle eine duale Ausbildung, sodass die Jungs und Mädels, die es nicht in Profi-Gefilde geschafft haben, auch eine Chance im Leben haben. Jeder Mensch braucht die höchst mögliche Ausbildung!“

EINE ANLEITUNG ZUM SAUBEREN ABLAUF 

Egal ob Umzug, neue Herausforderung oder der erste Schritt in Richtung Fußballprofi, es gibt viele Gründe für einen Vereinswechsel im Jugendfußball. Trotzdem sollte dieser Schritt gut überlegt und auch formal in Ordnung sein. Hier erfährst Du, wie ein Vereinswechsel abläuft…

Jeder Vereinsverantwortliche weiß, dass nichts mehr Konfliktpotential birgt als der Wechsel eines talentierten Spielers von Verein A zu Verein B. Und das wissen wir nicht erst seit den Wechseln von Mario Götze oder Robert Lewandowski vom BVB zu den Bayern. Doch gerade im Nachwuchsbereich mit Kindern und Jugendlichen sollten noch einmal andere Regeln gelten als im Profisport, wo der blanke Erfolg bekanntlich an erster Stelle steht.

Das Credo des Kinder- und Jugendfußballs

Abklatschen ja, Abfeiern nein: Im Jugendfußball sollten Erfolge stets richtig eingeordnet werden, damit die kleinen Kicker nicht die Bodenhaftung verlieren.

Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle vorneweg schicken, woran auch der DFB appelliert: Im Nachwuchsbereich gilt es zunächst einmal, jegliche Form der Ergebnis- und Erfolgsorientierung außen vor zu lassen. Statt dem kurzfristigen sportlichen Erfolg sollte bei jedem Vereinswechsel im Kinder- und Jugendbereich die Ausbildung und die individuelle Weiterentwicklung des einzelnen Spielers, die es objektiv zu bewerten gilt, im Vordergrund stehen. Halten sich alle Vereine an dieses einfach Credo, ist ein erheblicher Teil des Konfliktpotentials schon einmal aufgelöst.

1. Reflexion beim Interessenten

Bevor ihr euer Interesse herausposaunt, reflektiert stets noch einmal, ob ein Wechsel in euer Team auch Sinn macht. Ist der Spieler schon so weit? Ist dem Kind ein Wechsel in seiner momentanen Situation zuzumuten? Oder tun ihm vielleicht ein paar Saisons bei seinem derzeitigen Klub nicht doch noch ganz gut?

2. Reflexion beim abgebenden Verein

In gleichem Maße sollte der Verein mit dem vermutlich besonders talentierten Spieler natürlich reflektieren, inwiefern der Heimatklub ihm noch das Training bieten kann, was er vielleicht verdient und nötig hätte. In beiden Fällen sollten die Vereine also noch einmal einen Schritt zurück gehen und sich überlegen, was das Beste für den Spieler ist.

3. Der erste Ansprechpartner

Wenn ihr euer Interesse dann doch bekunden wollt, dann geht damit nicht gleich direkt zum Spieler. Euer allererster Ansprechpartner ist der Jugendleiter oder in manchen Fällen auch der Trainer des anderen Vereins.

4. Das Vier-Augen-Gespräch

Was wie ein lockeres Gespräch aussieht, hat immense Bedeutung – für den Trainer, aber auch für den Spieler.

Der Verein mit dem interessanten Spieler sollte dann ein wenig Zeit bekommen, seinen Schützling selbst von dem Interesse zu unterhalten. In einem Gespräch (in der Regel des Trainers) mit dem Talent sollte der Spieler dann auf eine bevorstehende Kontaktaufnahme vorbereitet werden. Als abgebender Verein dürft ihr dabei gerne ausloten, ob euer Spieler an einem Wechsel denn überhaupt Interesse hat, denn die Meinung des Kindes selbst sollte immer noch an erster Stelle sein. Es ist in diesem Gespräch auch nicht verboten, dem Jungen oder dem Mädchen noch einmal aufzuzeigen, welche Vorteile er oder sie bei seinem beziehungsweise ihrem derzeitigen Verein genießt.

5. Der zweite Ansprechpartner

Wenn die Verantwortlichen des zu kontaktierenden Spielers Bescheid wissen und Zeit hatten, den Nachwuchskicker eingehend zu informieren, sollte der anfragende Verein nun die Eltern kontaktieren. Besteht hier gar kein Interesse, sollte das ohne großen Groll akzeptiert werden. Weiß der Verein mit dem Spieler von dem klaren „nein“, ist auch er dazu aufgefordert zu beobachten, ob der Interessent diese Absage akzeptiert.

6. Das Probetraining

Sind der Spieler und die Eltern hingegen an einem Wechsel interessiert, folgt in der Regel die Einladung zu einem Probetraining. Damit das Talent bei seinem möglicherweise neuen Klub probeweise mittrainieren darf, braucht es eine schriftliche Einverständniserklärung des derzeitigen Vereins des Spielers. Bevor die Eltern diese Genehmigung nicht eingeholt haben, sollte ein Probetraining keinesfalls stattfinden.

Dribbelnde Jungstars wecken schnell mal das Interesse größerer Vereine.

7. Die Genehmigung

Macht der Wechsel für den jungen Spieler Sinn, sollte der abgebende Verein seinen Spieler unbedingt unterstützen, um die persönliche Entwicklung des Talents zu fördern. Statt sich quer zu stellen, sollten die Verantwortlichen dem Interessenten also die schriftliche Erlaubnis zu einem Probetraining gewähren und Termine dafür mit dem Spieler besprechen. Zwei Termine sollten für ein Probetraining in der Regel ausreichen.

8. Die finalen Schritte

Überzeugt der Spieler beim Probetraining und beide Seiten erzielen Einigkeit über einen Vereinswechsel, sollten die weiteren Schritte mit den Eltern besprochen werden. Dazu zählt auch, dass der Verein der Familie bei der Erledigung sämtlicher Formalitäten hilft und seinen neuen Spieler dazu anhält, die Saison bei seinem aktuellen Verein sauber zu Ende zu spielen.

Wie ihr im letzten Schritt unseres Leitfadens seht, geht auch im Nachwuchsbereich natürlich nichts ohne Formalitäten und Formulare. Doch wie sehen die aus? Was es in Deutschland bei Wechseln junger Talente zu beachten gilt, verraten wir euch in unserem dritten Teil zu Vereinswechseln im Nachwuchsbereich.

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