Die Mauer stellen: Wie geht’s richtig?

Den Torwarttrainern stellen sich die Nackenhaare auf, doch selbst in der Bundesliga bekommt man es hin und wieder zu Gesicht: Der Keeper hat seine Mauer falsch gestellt und zack! Das Gegentor fällt. Ganz ohne Skrupel nutzt der Torschütze den Fehler des Keepers aus und zielt eiskalt durch die Lücke. Im Amateur-Fußball ist eine solche Situation keine Seltenheit. Nicht jeder Verein kann es sich überhaupt leisten, einen eigenen Torwarttrainer zu engagieren – der Keeper ist dann ganz auf sich allein gestellt. Aber nicht mehr lange! Denn wir helfen Euch dabei, Eure Mauer von jetzt an immer richtig zu stellen. Wenn der Ball da noch rein gehen soll, dann muss der Schütze schon Junuzovic, Ronny oder Calhanoglu heißen!

Damit Ihr gar nicht erst fliegen müsst: Wir verraten Euch alles zur perfekten Freistoß-Mauer.

Fluch und Segen zugleich: Einerseits hilft die Mauer dem Keeper dabei, den direkten Einschlag in seinen Kasten zu verhindern. Andererseits stiehlt sie ihm auch beträchtlich die Sicht. Aus diesem Grund ist das Stellen einer Mauer eine brenzlige Angelegenheit, die einiger Übung bedarf. Doch wovon hängt es ab, wie ich die perfekte Mauer stelle? Die entscheidenden Faktoren dürften hauptsächlich die Folgenden sein:

  • Entfernung
  • Winkel
  • Schütze

Die Entfernung

Ein Grundsatz zur Bestimmung der Anzahl der Spieler in der Mauer sollte auf der Hand liegen:

Je näher der Ball zum Tor liegt, desto mehr Spieler sollten auch die Mauer bilden. Auf diese Art verkleinert der Keeper den Anteil des nicht-abgedeckten Tores.

Ein paar Beispielsituationen haben wir Euch hier aufgeführt:

  • Pfeift der Schiedsrichter nun vor dem Sechzehner einen Freistoß in zentraler und damit sehr torgefährlicher Position, dürfen sich gerne einmal fünf bis sechs Spieler in die Mauer stellen.
  • Befindet sich die Situation ein Stück weiter weg von der Strafraumkante, tut es auch die Vier-Mann-Mauer.
  • Bei rund 30 Meter Torentfernung zentral vor dem Kasten sollten in der Regel zwei bis drei Spieler in der Mauer locker genügen.

Keeper-Dummies können im Training auch dafür benutzt werden, eine Mauer zu simulieren.

Der Winkel

Natürlich kommt es nicht nur darauf an, aus welcher Entfernung der Ball auf Euer Tor kommt, sondern auch darauf, aus welchem Winkel. Ein Freistoß kann sehr nah an Eurem Tor liegen, ohne dass von ihm eine direkte Torschussgefahr ausgeht; nämlich wenn der Winkel besonders spitz ist. Aus diesem Grund ist der Winkel des bedrohlichen Freistoßes der nächste Anhaltspunkt bei der Bildung Eurer Mauer. Haben wir Euch gerade geraten, vor dem Sechzehner fünf bis sechs Spieler in die Mauer zu beordern, so gilt das in erster Linie für zentrale Freistöße.

  • Um das Strafraumeck herum genügen bei Freistößen aus der Nahdistanz im Normalfall vier Spieler in der Mauer.
  • Ab einem Winkel von etwa 30 Grad zur Tormitte sollte man dann auch mit einer Drei-Mann-Mauerauskommen.
  • Bei einem besonders spitzen Winkel auf den Flügeln genügen locker zwei Mann.

Ziel einer jeden Freistoßmauer: Das eigene Tor klein, die Sicht groß halten und so das Gegentor verhindern!

Diese Empfehlungen ändern sich logischerweise auch wieder mit zunehmender Distanz des Freistoßschützen vom Tor.

  • Auf den Strafraumseiten raten wir bei etwas größerer Distanz bis zu einem Winkel von etwa 30 Grad zu einer 2-Mann-Mauer.
  • Bis rund 60 Grad wird die 3-Mann-Mauer empohlen.
  • Und ab da wird wie gewohnt die 4-Mann-Mauer nötig.

In den beiden zentraleren Positionen ist es durchaus möglich, dass sich die Anzahl der Spieler in der Mauer noch einmal verringert, wenn der Freistoß nicht mehr in Strafraumnähe ausgeführt wird.

Der Sonderfall

Für den Fall, dass der Ball tatsächlich einmal ziemlich genau in der Mitte des Spielfeldes zum Freistoß platziert wird und Ihr nicht genau wisst, auf welche Seite Ihr die Mauer nun stellen sollt, macht es Euch einfach. Natürlich könnt Ihr Euch auch nach dem Schützen richten und versuchen, es ihm so schwer wie möglich zu machen und die Seite der Mauer nach dem starken und schwachen Fuß des Gegners auszurichten. Da ihr Eure Gegenspieler oft aber nicht so gut kennt und meistens ohnehin mehr als nur einer von ihnen daran interessiert ist, den folgenden Freistoß zu schießen, solltet Ihr Euch eher auf Eure Stärken besinnen. Wenn Ihr es Euch wirklich aussuchen könnt, dann sollte die Mauer Euer starkes Eck abdecken und Ihr solltet Euch in Euer schwächeres Eck stellen. Falls dann wirklich einmal ein Ball die Mauer überwindet, könnt Ihr immerhin auf Eurer Schokoladenseite die Kugel womöglich noch aus dem Eck fischen.

Die richtigen Anweisungen

Folgt Ihr diesen Empfehlungen, habt Ihr schon einmal einen großen Schritt zu einem professionelleren Torwartspiel getan. Doch neben der Anzahl der Spieler in der Mauer kommen natürlich noch eine Menge anderer Fragen zum Stellen der Mauer auf. Wir wollen Euch wie gewohnt mit Rat und Tat zur Seite stehen und liefern Euch daher für die häufigsten Fragen die passenden Antworten.

Wo steht die Mauer?

Die Mauer sollte keinesfalls auf einer Höhe mit dem Pfosten enden, da der gewiefte Freistoßschütze den Ball sonst auch einmal um die Mauer ins lange Eck zirkeln kann. Stattdessen sollte die Mauer so gestellt werden, dass der äußerste Spieler auf Höhe des ballnahen Pfostens die Distanz zur gedachten Verlängerung des Pfostens stets überschreitet.

Noch mehr professionelle Anweisungen gibt’s z.B. auf dem Film „Torwarttraining-Fundamentals“ mit Gábor Király.

Wer stellt die Mauer?

Natürlich: der Torhüter. Aber nicht alleine! Er braucht einen Ansprechpartner in der Mauer, der seine Mitspieler an die richtige Stelle koordiniert (oder auch zerrt). Am besten eignet sich dazu derzweitäußerste Spieler am ballnahen Pfosten, eben weil der Äußerste nicht auf Höhe des Pfostens stehen bleiben sollte. Der Mauer-Dirigent unter den Spielern dreht sich zum Torwart um und stellt so auch die Mauer.

Wo steht der Torhüter?

Die Sicht ist ihm durch die Mauer zwar erheblich genommen, ganz auf seine Augen sollte er deswegen aber nicht verzichten. Der Torwart stellt sich nach dem Mit-Dirigieren der Mauer so auf, dass er beim Vorbeisehen an der anderen Seite der Mauer gerade noch den Ball sieht.

Wo stehen die Spieler in der Mauer?

Natürlich soll die Mauer so viel wie nur irgendwie möglich abdecken. Und trotzdem kann sie selbstverständlich nicht das ganze Tor dicht machen. Gleichzeitig gibt es hinter der Mauer aber immer noch torgefährlichere Bereiche als andere. Für den Keeper ist es schwieriger, den Ball mit einer Hand vom Lattenkreuz zu kratzen, als ihn zentral abzufangen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich bei der Anordnung der Mauer, die großen Spieler an die äußeren Positionen zu stellen.

Muss die Mauer immer hochspringen?

Einen Flachschuss könnt Ihr nie ausschließen. Daher ist es keineswegs ratsam, vor dem Schuss bereits hochzuspringen. Stattdessen solltet Ihr versuchen, auf Zehenspitzen zu stehen und so lange zu warten, bis Ihr erkennt, ob der Ball hoch oder flach aufs Tor kommt.

Was, wenn der Freistoß kurz ausgeführt wird?

Hier sind nun Eure Mitspieler gefragt! Die Spieler außerhalb der Mauer sollten bestenfalls so verteilt sein, dass sie einen indirekten Freistoß sofort attackieren können und bei einem Schuss auch einen Abpraller vom Torwart klären können.

Was, wenn der Freistoß indirekt aufs Tor geschossen wird?

Wird ein Freistoß indirekt geschossen, ist eine schnelle Beinarbeit des Keepers gefragt!

Kommt es beim Freistoß zu einer indirekten Torschussvorlage, muss sich der Keeper mit schneller Beinarbeit sofort am Schützen neu ausrichten. Dabei können bereits die kleinsten Positionsveränderungen nach vorne oder zur Seite über Gegentor oder Parade entscheiden. Doch auch die Mauer ist in der Pflicht. Das Reaktionsvermögen des ballnähesten Spielers der Mauer ist gefragt. Erkennt dieser die Situation früh genug, kann es ihm gelingen, den Schuss des angespielten Schützen noch zu blocken.

Was, wenn ein indirekter Freistoß im Strafraum gepfiffen wird?

Indirekte Freistöße im Strafraum mögen im Wettkampfalltag zwar nicht allzu häufig vorkommen, sind an Spannung aber kaum zu übertreffen. Auch wenn der Keeper wohl gerne auf Situationen wie diese verzichten würde, muss er darauf vorbereitet sein, wenn es eines Tages tatsächlich einmal so weit kommt. Entscheidend für das Torhüterverhalten ist dabei immer die Position des Balles.

Die zentrale Frage ist: Wie nahe ist der Ball am Tor? Befindet sich der Ball im Bereich des Fünfmeterraums sollte der Torwart immer vor der Mauer stehen und ist derjenige, der sich zum Ball bewegt. Im Grunde könnten alle Spieler das Tor komplett abdecken.

Thomas Schlieck

Torwart-Koordinator u.a. bei Schalke 04, RB Leipzig, Borussia Dortmund zu torwart.de

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